Tierarzthaftung - Behandlungsfehler durch Unterlassen?

Erschienen am 02.09.2016

Wenn ein Pferd nach tierärztlicher Behandlung letztlich nicht zu retten ist, wird oft der Fehler gemacht, aus dem Verlust des Pferdes auf einen Behandlungsfehler des Tierarztes zu schließen. Der haftet aber nur, wenn ein Behandlungsfehler feststeht, der für den Tod des Pferdes ursächlich wurde.

Ein Beispielsfall

Die Klägerin eines Rechtsstreites hatte die beklagte Tierärztin darauf aufmerksam gemacht, dass ihre Stute Anzeichen einer Kolik zeigte. Sie hatte beobachtet, dass sich das Pferd untypisch auf der Weide hinlegte. Bei der tierärztlichen Untersuchung waren kaum Darmgeräusche feststellbar. Eine rektale Untersuchung wurde nicht durchgeführt, die Be­klagte hat ein Krampf lösendes und-Schmerz stillendes Mittel verabreicht. Bei einer Nachuntersuchung wurde diese Therapie wiederholt, außerdem eine Blutprobe entnommen, um eine Laborüberprüfung zu veranlassen. Weil sich der Gesundheitszustand verschlechterte, hatte die Pferdeeigentümerin am darauffolgenden Tag einen anderen Tierarzt beauftragt, der nach rektaler Untersuchung keine Verdauungsstörung oder Gaskolik, sondern eine stark angeschwollene Gebärmutter feststellte. Einen weiteren Tag später musste das Pferd in einer Tierklinik eingeschläfert werden, weil der Uterus pathologisch so stark vergrößert war, dass eine Notoperation nicht mehr erfolgreich hat durchgeführt werden können.

Der Behandlungsgang

Die Tierärztin hatte lediglich eine Verdachtsdiagnose gestellt. Sie ging von einer Verdauungsstörung bzw. Gaskolik aus, die sich später nicht bestätigt hatte.

Die Pferdeeigentümerin warf ihr vor, dass trotz der Hinweise auf eine schwer wiegende innere Erkrankung keine rektale Untersuchung durchgeführt worden war. Sie stützte ihre Schadensersatzforderung darauf, dass bei ordnungsgemäßer Untersuchung das Pferd sofort in eine Tierklinik hätte eingeliefert und operiert werden müssen.

Die gerichtliche Entscheidung/Die rechtlichen Voraussetzungen

Der Schadensersatzanspruch, den die Klägerin verfolgte, setzt neben dem Vertragsverhältnis zum Tierarzt voraus, dass der Tierarzt eine Pflichtverletzung begangen hat, die ursächlich wurde für den eingetretenen Schaden, hier also für den Verlust des Pferdes, geworden ist. Die typische Pflichtverletzung ist ein Behandlungsfehler. Ebenso pflichtwidrig ist aber ein "Befunderhebungsfehler", der darauf beruht, dass eine gebotene Untersuchung nicht durchgeführt wurde. Bei Koliksymptomen ist grundsätzlich eine rektale Untersuchung erforderlich, um z.B. einen sich anbahnenden Darmverschluss feststellen zu können. Im geschilderten Fall hätte die rektale Untersuchung bereits die Diagnose einer pathologischen Vergrößerung der Gebärmutter erbracht.

Das hätte aber für die Haftung des Tierarztes noch nicht ausgereicht. Vielmehr hätte festgestellt werden müssen, dass bei früherer Einlieferung in die Tierklinik das Pferd hätte gerettet werden können.

Die gerichtliche Entscheidung

Das mit der Beurteilung des Falles befasste Gericht hat es offen gelassen, ob der Beklagten eine Pflichtverletzung vorzuwerfen war. Es ging nämlich nach Anhörung eines Sachverständigen davon aus, dass der Verlauf der Erkrankung nicht maßgeblich anders gewesen wäre, wenn die Stute zwei Tage vorher in die Tierklinik eingewiesen worden wäre. Es sei nämlich nicht davon auszugehen, dass eine zwei Tage früher durchgeführte Operation zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Der Sachverständige hatte dargelegt, dass bereits ab dem ersten Tag der Inanspruchnahme der beklagten Tierärztin eine Rettung der Stute "ganz überwiegend unwahrscheinlich" gewesen sei. Die Gesamtdauer der Erkrankung habe mehrere Wochen bis Monate gedauert. Eine Rettung des Pferdes war daher nahezu ausgeschlossen.

Fazit

Ein Schadensersatzanspruch kann in aller Regel gegen einen Tierarzt nur dann durchgesetzt werden, wenn neben einer Pflichtverletzung auch deren Ursächlichkeit für den eingetretenen Schaden nachgewiesen werden kann. Ausnahmen von diesem Grundsatz kommen dann in Betracht, wenn dem Tierarzt ein grober Behandlungsfehler vorzuwerfen ist. Dann hätte er nachzuweisen, dass sein pflichtwidriges Vorgehen den Schaden nicht verursacht hat, also das Pferd auch dann nicht zu retten gewesen wäre, wenn der Tierarzt die von ihm zu verlangende Sorgfalt eingehalten hätte.

Dr. Plewa / Dr. Schliecker Rechtsanwälte

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