Recht: Die Bierbezugsverpflichtung

Erschienen am 02.10.2016

Einige Reitervereine betreiben in eigener Regie ein Reiterstübchen. Um das überhaupt einrichten zu können, wird oftmals die Unter­stützung einer Brauerei in Anspruch genommen, die sich als Gegenleistung eine Getränkebezugsverpflichtung einräumen lässt. Ein solches Vertragsverhältnis ist nicht unproblematisch, wie dieser Beitrag beispielhaft aufzeigt.

Die Vertragskonstellation

Wenn sich ein Verein entschließt, ein Reiterstübchen mit regelmäßigem Ausschank, also eine Gaststätte, zu betreiben, wird es nicht selten schon für die Einrichtung an den notwendigen finanziellen Mitteln fehlen. Brauereien bieten dann oftmals ihre "Hilfe" an. Die wechselseitigen Rechte und Pflichten werden in einem so genannten Bierbezugsvertrag festgehalten. Der sieht typischerweise so aus wie der Vertrag, mit dem sich das Landgericht Karlsruhe in einem Rechtsstreit zu befassen hatte:

Der Verein hatte sich zunächst auf 20 Jahre verpflichtet, Getränke für sein Reiterstübchen ausschließlich von der Vertragspartnerin, einer bestimmten Brauerei abzunehmen, und zwar mit einer vertraglich fixierten Mindestmenge. Die Vertragsdauer war zunächst auf 20 Jahre festgelegt. Nach rund 16 Jahren war nicht einmal die Hälfte des vorgesehenen Mindestbezuges abgenommen worden. Es wurde dann ein neuer Vertrag mit einer Laufzeit von rund 15 Jahren abgeschlossen, in welchem wieder ein Mindestbezug vorgesehen war. Für den Fall anderweitigen Bierbezuges oder auch Unterschreitung der vereinbarten Abnahmemenge begründete der Vertrag einen pauschalierten Schadensersatzanspruch zu Gunsten der Brauerei.

Deren Gegenleistung bestand zunächst darin, dass das Inventar für das Reiterstübchen überlassen wurde. Außerdem wurde ein Darlehen gewährt, das mit 8 % zu verzinsen war. Vor Ablauf des zweiten Vertrages hat der Verein den Bierbezug eingestellt. Die Brauerei machte daraufhin Schadensersatzansprüche geltend, im Ergebnis ohne Erfolg.

Die Rechtslage

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich schon wiederholt mit vergleichbaren Bierbezugsverträgen befasst. Er hatte die jeweils auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, ob ein Getränkelieferungsvertrag im Hinblick auf Laufzeit, Mindestabnahmemenge und den Wert der wechselseitigen Leistungen möglicherweise als sit­tenwidrig anzusehen sein könnte. Der BGH hat hierzu den Standpunkt vertreten, dass nur in Ausnahmefällen von einer Unwirksamkeit auszugehen sei und zwar nur dann, wenn der Vertrag "dazu führt, dem Gastwirt seine Selbständigkeit und Unabhängigkeit zu nehmen, wenn sich der Vertrag also als ein so genannter Knebelungsvertrag darstellt". Es geht letztlich darum zu überprüfen, ob der Verein durch die Vertragsbindung an die bestimmte Brauerei in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit und Selbstständigkeit in unvertretbarer Weise eingeengt wird.

Allein die Dauer des Vertragsverhältnisses ist insoweit nicht Ausschlag gebend. Allerdings hat der BGH eine Vertragslaufzeit von 20 Jahren als äußerste Grenze angesehen.

Der konkrete Fall

Schon die Vertragsdauer war ein kritischer Punkt in dem vom LG Karlsruhe entschiedenen Fall. Die Vertragsparteien waren nämlich von Beginn an wohl davon ausgegangen, dass der Ursprungsvertrag in 20 Jahren nicht beendet sein würde, weil eine Abnahmemenge von 1000 Liter vorgesehen war, die bei realistischer Betrachtung innerhalb von 20 Jahren gar nicht hatte erreicht werden können.

Hinzu kam, dass noch vor Ablauf von 20 Jahren ein Folgevertrag abgeschlossen wurde, was nach Auffassung des LG Karlsruhe einheitlich zu beurteilen war. Das LG sah auch die vereinbarten Gegenleistungen als nicht ausreichend an. Schließlich war das gewährte Darlehen in Höhe von 5.000,00 DM mit 8% angemessen verzinst und das Gaststätten Inventar, das ja nicht etwa an den Verein übereignet, sondern nur leihweise überlassen worden war, bei Abschluss des Nachfolgevertrages bereits rund 16 Jahre alt.

Das LG Karlsruhe hat daher die Klage der Brauerei auf Zahlung eines Schadensersatzes wegen der vorzeitigen Vertragsbeendigung abgewiesen.

Das Oberlandesgericht

Die rechtliche Einschätzung wurde vom Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) in einem Hinweisbeschluss im Berufungsverfahren bestätigt. Das OLG hob die vom BGH entwickelten Grundsätze hervor und wies darauf hin, dass langfristige Belieferungsverträge keineswegs generell gegen die guten Sitten verstoßen würden. Eine Sittenwidrigkeit liege vielmehr erst dann vor, wenn durch die Ausschließlichkeitsbindung und die Ausgestaltung des Vertrages im Einzelfall eine nicht mehr zu vereinbarende Abhängigkeit zur Brauerei begründet wäre. Allerdings gehe selbst bei erheblichen Gegenleistungen der Brauerei eine 20-jährige Bindung bereits grundsätzlich an die äußerste Grenze des gerade noch Zulässigen. Eine Vertragsbindung, die über diesen Zeitraum hinausgehe, stelle für sich allein schon eine unzumutbare Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Gastwirtes dar, sei daher sittenwidrig und der Vertrag nichtig.

Im Ergebnis hatte daher die Klage der Brauerei keinen Erfolg.

Fazit

Selbst langfristige Bierbezugsverträge sind nicht generell unwirksam. Die maßgeblichen Kriterien für die Wirksamkeitskontrolle sind die Vertragslaufzeit und der Wert der Leistungen der Brauerei im Verhältnis zu den Verpflichtungen des Vertragspartners. Es lohnt sich jedenfalls, eine am Einzelfall orientierte Vertragsüberprüfung vorzunehmen. Aus einem "Knebelungsvertrag” kann sich der Verein ohne für ihn nachteilige wirtschaftliche Folgen lösen.

Dr. Plewa / Dr. Schliecker Rechtsanwälte

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