Tierhalterhaftung auch bei unberechtigter Nutzung eines Pferdes

Erschienen am 24.01.2017

Gegenstand der rechtskundlichen Beiträge war bereits wiederholt die Tierhalterhaftung. Sie trifft den Halter eines aus Liebhaberei gehaltenen Pferdes völlig unabhängig von einem Verschulden. Mehr noch: Schadensersatzansprüche gegen den Halter kommen sogar dann in Betracht, wenn der verletzte Reiter das Pferd ohne Einverständnis des Eigentümers geritten hat!

Der Fall

Die Klägerin eines vom Bundesgerichtshof (BGH) in dritter Instanz entschiedenen Rechtsstreites hatte in Abwesenheit des Pferdeeigentümers und -halters versucht, auf dessen Pferd zu steigen. Dabei war sie gestürzt und erlitt nicht unerhebliche Verletzungen. Sie nahm daraufhin den Pferdehalter auf Schadensersatz in Anspruch. Der verteidigte sich mit dem Argument, die Klägerin sei gar nicht berechtigt gewesen, das Pferd zu reiten. Er habe sein Einverständnis nicht erklärt.

Die Vorinstanzen

Das Landgericht (LG) und das Oberlandesgericht (OLG) hatten die Klage jeweils als unbegründet abgewiesen. Die Gerichte gingen zwar davon aus, dass die Verletzungen der Klägerin auf die Realisierung der Tiergefahr zurückzuführen waren. Damit war die wesentliche Voraussetzung des § 833 BGB, in welchem die Tierhalterhaftung geregelt ist, erfüllt: Entscheidend ist, dass der eingetretene Schaden "durch ein Tier" verursacht wurde. Das ist dann der Fall, wenn das Unfallereignis auf die Realisierung der typischen Tiergefahr zurückgeht, also auf die Unberechenbarkeit des Pferdes, die sich insbesondere in Ausschlagen, Steigen, Durchgehen oder Buckeln zeigt. Auf ein Verschulden des Pferdehalters kommt es für die Haftung jedenfalls bei einem "Luxustier" nicht an. Der Halter eines so genannten Nutztieres ist insofern haftungsrechtlich besser gestellt, als seine Haftung dann entfällt, wenn er den Beweis führt, dass er bei der Aufsicht des Pferdes die erforderliche Sorgfalt beachtet hat oder aber der Schaden auch bei Beachtung dieser Anforderungen nicht vermeidbar gewesen wäre.

Obwohl also die wesentliche Voraussetzung für eine Haftung des Pferdehalters bejaht wurde, hielten LG und OLG die Klage für unbegründet, weil die Klägerin den Nachweis nicht hatte führen können, das Pferd mit Zustimmung des Halters geritten zu haben.

Der BGH

Das oberste deutsche Zivilgericht sah die Sache anders. Es hatte bereits 1992 entschieden, dass der Halter eines Reitpferdes auch dann nach § 833 zum Schadensersatz verpflichtet sein kann, wenn er dem Verletzten das Pferd aus reiner Gefälligkeit überlassen hat. Das "Überlassen" ist aber nicht dahingehend zu verstehen, so der BGH, dass der Pferdehalter ausdrücklich sein Einverständnis erklärt haben muss. Deswegen müsse der Geschädigte auch nicht beweisen, dass er berechtigt sei, das Pferd zu besteigen.

Der BGH hat daher eine Haftung des Pferdehalters in dem geschilderten Fall bejaht, obwohl von der Klägerin nicht nachgewiesen werden konnte, dass die Zustimmung zur Nutzung des Pferdes des Beklagten vorlag.

Handeln auf eigene Gefahr

Wenn sich jemand unbefugt einem Pferd nähert, kann dies als Mitverschulden gewertet werden, was dann zu einer Reduzierung des Schadensersatzanspruches durch Bildung einer Quote führt. Die Voraussetzungen des Mitverschuldens müssten allerdings vom Pferdehalter bewiesen werden!

Nur unter sehr strengen Voraussetzungen entfällt die Tierhalterhaftung unter dem Gesichtspunkt des "Handelns auf eigene Gefahr". Das ist nach mehreren Entscheidungen des BGH dann anzunehmen, wenn beispielsweise der Geschädigte sich mit der Übernahme des Pferdes oder der Annäherung bewusst einer besonderen Gefahr aussetzt, die "über die normalerweise mit dem Reiten oder der Nähe zu einem Pferd verbundenen Gefahren hinausgeht". Als Beispiel hat der BGH die Nutzung eines erkennbar widersetzlichen Pferdes das Reiten eines noch nicht angerittenen Pferdes oder die Teilnahme an einer Fuchsjagd genannt. Er hat auch in einem Fall die Haftung des Tierhalters verneint, in welchem der Geschädigte nach dem Motto "Lass mich mal!" ein offensichtlich widersetzliches Pferd bestieg, um zu demonstrieren, dass er- anders als der Reiter zuvor - das Pferd zum Rückwärtsrichten bringen könne. Als das Pferd dann bei dem Versuch stieg, der Reiter stürzte und Schadensersatz forderte, hat der BGH klargestellt, dass in einem solchen Fall ausnahmsweise von einer vollständigen Haftungsfreistellung des Tierhalters auszugehen sei.

Ergebnis

Angesichts des hohen Haftungsrisikos des Tierhalters ist es unverantwortlich, das entsprechende Risiko nicht durch eine Tierhalterhaftpflichtversicherung abzudecken.

Dr. Plewa/Dr. Schliecker Rechtsanwälte/Fachanwälte

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