Rechtsprechung in Sachen Pferdekauf
Erschienen am 08.04.2011
Fehlende Verladefrömmigkeit als Mangel
Eigentlich sollte es nicht zweifelhaft sein, dass der Käufer eines Turnierpferdes Verladefrömmigkeit erwarten darf. Problematisch erscheint eher die Frage, wie der Käufer beweisen kann, dass der Mangel schon bei Übergabe vorlag, wenn der Verkäufer behauptet, er habe das Pferd stets problemlos verladen können.
Der Beispielsfall
Die Problematik lässt sich an einem Fall deutlich machen, mit dem sich das Landgericht Frankfurt (LG) und im Berufungsverfahren das Oberlandesgericht (OLG) zu befassen hatte. Von einem Pferdehandelsunternehmen hatte der Kläger ein Pferd gekauft, das von seiner Frau und Tochter auf Turnieren in Dressurprüfungen eingesetzt werden sollte. Zuvor war das aus dem Ausland importierte Pferd rund ein Jahr im Besitz des Verkäufers gewesen. In jener Zeit war es auf einem Turnier mit Erfolg gestartet worden. Der Verkäufer selbst hatte es mittels Pferdetransporter angeliefert. Beim Verladen und dem Transport habe es keine Probleme gegeben, behauptete er im Prozess.
Als dann aber der Käufer später das Pferd zu einem Turnier verladen wollte, stellten sich schon beim ersten Versuch erhebliche Probleme heraus. Das Pferd ließ sich kaum zu einem Zwei-Pferdehänger führen, ließ sich nur unter größtem Aufwand verladen, aber nicht transportieren, weil es bei der Fahrt in Panik geriet und so sich und das Transportfahrzeug gefährdete.
Auch unter Inanspruchnahme professioneller Hilfe gelang es nicht, die Verladeprobleme zu beheben. Das Pferd konnte daher letztlich nur auf dem heimischen Gelände geritten und auf dem dortigen Turnier vorgestellt werden.
Der Käufer verlangte eine Minderung zunächst in Höhe von einem Drittel des Kaufpreises.
Das LG beauftragte einen Sachverständigen, der die fehlende Verladefrömmigkeit bestätigte und meinte, dass der Wert des Pferdes um 50 % gemindert sei. Daraufhin erhöhte der Käufer die Klage. Er hatte damit in erster wie in zweiter Instanz Erfolg.
Die Rechtslage
Es kann keinem ernsthaften Zweifel unterliegen, dass bei einem Turnierpferd Verladefrömmigkeit voraus gesetzt werden darf. Schließlich muss es möglich sein, ein Pferd zu einem auswärtigen Turnier zu transportieren, ohne dass es zuvor sediert werden muss. Schließlich würde die medikamentöse Ruhigstellung zu einem positiven Dopingbefund führen. Zudem darf der Käufer eines Turnierpferdes auch erwarten, dass sich das Pferd nicht etwa durch panikartiges Verhalten auf dem Transportfahrzeug selbst Verletzungen zufügt oder auch - nur - das Transportfahrzeug beschädigt.
Das eigentliche Problem in einem solchen Fall liegt darin, den Nachweis zu führen, dass der Mangel, nämlich fehlende Verladefrömmigkeit, bei Übergabe bereits vorlag. Der Verkäufer wird stets - so auch in dem vom LG und OLG entschiedenen Fall - behaupten, das Pferd sei bis zur Übergabe verladefromm gewesen. Im Verhältnis zwischen privatem Erwerber (Verbraucher) und gewerblichem Verkäufer (Unternehmer) könnte dem Käufer die Beweisvermutung zugutekommen, die § 476 BGB vorsieht. Danach wird bekanntlich von Gesetzes wegen angenommen, dass ein Mangel schon bei Übergabe vorlag, wenn er sich innerhalb von sechs Monaten zeigt. In dem geschilderten Fall war das so. Schließlich hatte sich die fehlende Verladefrömmigkeit unmittelbar nach Übergabe beim ersten Versuch eines Transports offenbart.
Der Verkäufer brachte jedoch den Einwand, fehlende Verladefrömmigkeit sei wegen der „Art des Mangels" mit der Beweisvermutung nicht vereinbar. Das OLG folgte dieser Auffassung nicht. Im Gegenteil: Unter Hinweis auf Entscheidungen des BGH vertrat das OLG die Ansicht, dass es bei Verhaltensauffälligkeiten wie der fehlenden Verladefrömmigkeit an einer allgemeinen Lebenserfahrung dahingehend fehle, dass dann, wenn ein Pferd in einzelnen Fällen das unerwünschte Verhalten nicht zeige, dies bereits den Rückschluss zulasse, dass die Verhaltensauffälligkeit generell nicht vorliege. Das Verhalten eines Tieres unterliege gewissen Schwankungen. Der Umstand, dass sich das Pferd von dem Verkäufer zum Käufer habe transportieren lassen, könne darauf beruhen, dass es sich an diesem Tage nervlich in einem besonders guten Zustand befunden habe und nur deswegen - ausnahmsweise - den Transport ohne erhebliche Probleme geduldet habe. Es könne aber auch darauf beruhen, dass es medikamentös behandelt worden sei (!). Aus dem einzelnen Transportvorgang sei nicht zwingend zu schließen, dass das Pferd verladefromm sei, § 476 BGB sei also durchaus anwendbar.
Die Vermutung ist widerleglich
Steht aufgrund der Vermutung des § 476 BGB zunächst einmal fest, dass von dem Vorhandensein des Mangels bei Übergabe auszugehen ist, muss der - gewerbliche - Verkäufer nachweisen, dass tatsächlich der Mangel nicht vorhanden war. Er muss also die vom Gesetz begründete Vermutung widerlegen. In dem konkreten Fall genügten dem OLG die Aussage des Verkäufers und einer weiteren Zeugin, die den Transport zum Käufer begleitet hatte, nicht. Beide hatten Einzelheiten des Transportgeschehens nach Auffassung des Gerichts nicht hinreichend schildern können. Vor allem aber machte das Gericht stutzig, dass das Pferd während einer Besitzzeit von rund einem Jahr nur auf einem Turnier gestartet worden war. Dieses Geschäftsgebaren eines „Turnier- und Verkaufsstalles läuft so sehr seinen eigenen wirtschaftlichen Interessen wider und ist so ungewöhnlich" (Zitat), dass das OLG Zweifel daran hatte, dass das verkaufte Pferd das ganze Jahr über verladefromm gewesen sei. Das Argument scheint nachvollziehbar und zeigt zudem, dass auch Juristen lebensnah zu argumentieren in der Lage sind.
Fazit
Aus dem geschilderten Fall lässt sich zunächst einmal der Rückschluss ziehen, dass fehlende Verladefrömmigkeit bei einem Turnierpferd jedenfalls einen Mangel darstellt, der zu einer erheblichen Wertminderung führt. Auch auf eine Verhaltensauffälligkeit wie eine fehlende Verladefrömmigkeit ist - jedenfalls nach Auffassung des OLG Frankfurt - die Beweisvermutung des § 476 BGB anwendbar. An den vom Verkäufer zu erbringenden Gegenbeweis werden strenge Anforderungen gestellt.
Dr. Dietrich Plewa, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht