Rechtsprechung: Vertrauen bei Transportaufträgen nicht immer gerechtfertigt

Erschienen am 10.05.2011

Schadenersatzpflicht des Spediteurs

Für den Transport von Pferden wird oftmals professionelle Hilfe in Anspruch genommen. Der Pferdeeigentümer kann regelmäßig darauf vertrauen, dass mit seinem Pferd sorgsam umgegangen und alles getan wird, um Verletzungen zu vermeiden. Dass dieses Vertrauen nicht immer gerechtfertigt ist, zeigt ein Fall, mit dem sich das Landgericht Wuppertal zu befassen hatte.
 
Der Sachverhalt
Die Klägerin eines zunächst beim Amtsgericht durchgeführten Rechtstreits verlangte Schadensersatz wegen einer Verletzung ihres Pferdes. Sie hatte den Beklagten beauftragt, über eine Strecke von mehreren hundert Kilometern das Pferd zu transportieren. Der Beklagte war von der Klägerin darüber informiert worden, dass sich das Pferd schlecht verladen lasse. Der Beauftragte hatte zunächst versucht, das Pferd der Klägerin mit Halfter und Führstrick in den Pferdetransporter zu führen, was jedoch nicht gelang. Er schnallte ihm dann ein Steigergebiss ein. Unter Verwendung dieses Gebisses gelang es dann schließlich dem Beklagten, das Pferd in den Transporter zu führen.
Während des Verladevorgangs hatten Zeugen beobachtet, dass der Beklagte wiederholt energisch am Führstrick gerissen hatte. Eine Zeugin hatte bekundet, dass das Pferd dann auch aus dem Maul geblutet habe. Jedenfalls nach dem Abladen war das Pferd verletzt. Es hatte eine quer verlaufende perforierende Verletzung am Übergang vom vorderen zum mittleren Drittel des Zungenmuskels. Die Klägerin hatte rund 2.000 Euro Tierarztkosten aufzuwenden, die sie vom Beklagten ersetzt verlangte.
 
Der Instanzenzug
Das Amtsgericht hatte zunächst nur die Zeuginnen gehört, die beim Aufladen anwesend waren. Deren Angaben reichten ihm, um zur Feststellung zu gelangen, dass der Beklagte zu verurteilen sei. Der grobe Einsatz des Steigergebisses kam nach Auffassung des Amtsgerichts allein für die schwerwiegende Zungenverletzung in Betracht.
Der Beklagte gab sich damit nicht zufrieden, legte vielmehr Berufung ein. Er vertrat den Standpunkt, das Pferd könne sich die Verletzungen auch selbst beigebracht haben, indem es sich auf die Zunge gebissen habe. Das Landgericht hielt diesen Einwand zumindest für aufklärungsbedürftig. Es hob das erstinstanzliche Urteil auf und verwies die Angelegenheit an das Amtsgericht zurück mit der Aufforderung, einen Sachverständigen einzuschalten. Der sollte dann im Auftrag des Gerichts klären, ob der Einsatz des Steigergebisses die Schadensursache war oder aber eine andere.
Das Gutachten des Sachverständigen fiel eindeutig aus: Allein die Lage der Verletzung am Übergang vom vorderen zum mittleren Drittel des Zungenmuskels lasse überhaupt nur den Rückschluss zu, dass durch unsachgemäß groben Zug am Führstrick des Steigergebisses die Verletzung herbei geführt worden sei. Zudem waren Verletzungen an der Oberseite vorhanden in der Weise, dass die Zunge zu 2/3tel durchtrennt war. Bei einer Bissverletzung, die sich das Pferd selbst zugezogen haben könnte, wären Spuren auf der Ober- und Unterseite festzustellen gewesen, meinte der Gutachter. Zudem könne das Pferd sich an der Stelle, wo die Verletzung unzweifelhaft vorhanden war (es lagen Lichtbilder vor) das Pferd sich selbst nicht verletzen.
 
Das Ergebnis
Der Beklagte wurde dann durch das Amtsgericht wiederum verurteilt. Er gab sich auch mit dieser Entscheidung nicht zufrieden, legte wiederum Berufung ein, diesmal aber ohne Erfolg:
Das Landgericht Wuppertal hat im "zweiten Durchgang" das Rechtsmittel des Beklagten zurück gewiesen.
Auf der Grundlage des Gutachtens stehe fest, dass der Beklagte die Verletzung des Pferdes schuldhaft verursacht habe. Es komme nicht einmal darauf an, dass die Zunge an der Unterseite keine Verletzungsspuren aufgewiesen habe. Allein die Lokalisation der Verletzung schließe eine Eigenbissverletzung durch das Pferd aus.
Die Pferdebesitzerin hat letztlich die Tierarztkosten in vollem Umfang erstattet bekommen.
 
Fazit
Wer ein Pferd für einen Transport anvertraut bekommt, hat alles zu unterlassen, was dem Pferd schaden könnte. Insbesondere hat er behutsam mit dem Pferd umzugehen. Ansonsten haftet er, wenn durch sein Verhalten das Pferd eine Verletzung davon trägt. In dem geschilderten Fall hätte auch noch ein Verfahren wegen eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz eingeleitet werden können, wenn die Pferdebesitzerin Anzeige erstattet hätte. Insoweit mag der Spediteur Glück gehabt haben: Wo kein Kläger, da kein Richter.
Dr. Dietrich Plewa, Rechtsanwalt

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