Rechtsprechung: Anforderungen an eine erhöhte sichere Weidehaltung

Erschienen am 26.05.2011

Tierhalter haften für Schäden, die ihre Tiere anrichten

Grundsätzlich gilt diese Tierhalterhaftung unabhängig von einem schuldhaften Fehlverhalten des Tierhalters. Sobald ein Tier einen Schaden verursacht, muss der Tierhalter prinzipiell Schadensersatz an den Geschädigten zahlen.

Dient das Tier jedoch dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters, muss der Tierhalter dann keinen Schadensersatz leisten, wenn ihm der Nachweis gelingt, dass er bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre.

Diese Möglichkeit, sich von der Tierhalterhaftung zu exkulpieren, gilt insbesondere auch für gewerbliche Reitbetriebe. Viele von ihnen halten ihre Pferde zumindest teilweise auf Weide. Bricht eines der Pferde von der Weide aus und verursacht danach, beispielsweise im Rahmen eines Verkehrsunfalls, einen Schaden, haftet der gewerbliche Tierhalter in dem vorgenannten Sinne nicht, wenn die Weidehaltung den im Verkehr erforderlichen Sorgfaltspflichten entsprach und der Tierhalter nach dem Bekanntwerden des Ausbruchs der Pferde alles zur Vermeidung eines Unfalles erforderliche unternommen hatte.

Üblicherweise beschränkt sich die Frage nach der sorgfaltsgemäßen Weidehaltung danach, ob die Umzäunung fachgerecht war. Wann eine Umzäunung fachgerecht
ist, wurde von diversen Gerichten entschieden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist die Bauausführung des Zaunes aber nicht das einzige Kriterium für eine ordnungsgemäße Weidehaltung. Über die Hütesicherheit entscheide nicht allein die Zaunkonstruktion, sondern auch die Sorgfalt des Tierhalters, insbesondere die Größe einer Weide. Durch die Weidehaltung würden die Herdeninstinkte der Tiere geweckt. Das habe zur Folge, dass typisches Wildtierverhalten wieder zum Vorschein komme. Panikattacken seien bei Wildtieren nicht auszuschließen und kämen in der Praxis häufiger vor. Sie könnten durch Geräusche, Lichterscheinungen, Insekten, plötzlich auftretende Wildtiere oder auf die Weide dringende Hunde ausgelöst werden. Unter normalen Bedingungen führe eine solche Schrecksituation zu einem gemeinsamen Fluchtverhalten der Herde. Bei einer Weide, die über eine ausreichende Fläche verfüet, würden die panikauslösenden Hormone durch das Laufverhalten der Tiere (Ausgaloppieren) abgebaut. Die Tiere würden sich schnell beruhigen, wobei in den seltensten Fällen die Umzäunung durchbrochen werde.

Sei allerdings die Weide zu klein, könnten sich die Pferd nicht ausgaloppieren. Der Zaun werde zu einem Hindernis, welches sich den Pferden in den Weg stelle, wenn diese noch unter dem Einfluss der Schrecksituation seien. Bei einer kleinen Weide steige damit das Risiko eines Zaundurchbruchs. Nehme der Pferdehalter dieses Risiko in Kauf, handele er sorgfaltswidrig. Es sei also nicht ausreichend, eine Weide fachmännisch einzuzäunen. Eine sorgfaltsgemäße und verkehrssichere Weidehaltung setze unabhängig von tierschutzrechtlichen Erwägungen auch voraus, dass die Weidefläche ausreichend groß sei.

Bedauerlicherweise hat der Bundesgerichtshof offen gelassen, welche exakte Größe eine Pferdeweide bei der Haltung von Pferden haben muss, damit ein Ausgaloppieren möglich ist. Die Beantwortung dieser Frage wird Sachverständigen vorbehalten bleiben.

Schließlich stellte der Bundesgerichtshof fest, dass die Aufsichtspflicht des Tierhalters über seine weidenden Pferde nicht mit der Nutzung einer sorgfaltsgemäßen Weide endet. Zur Aufsichtspflicht gehörten auch alle Maßnahmen, die nach dem denkbaren Ausbruch geeignet seien, einen Unfall zu vermeiden. Hierzu müsse der Pferdehalter nach Bekanntwerden des Ausbrechens der Tiere die Polizei verständigen. Diese habe dann die Möglichkeit, die Straßen in der Umgebung zu sichern und Autofahrer zu warnen.


RAe Dr. Bemmann & Kollegen
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