Haftung des Turnierveranstalters

Erschienen am 07.07.2011

Ist ein Reitturnier rechtlich ein PreisaussDr. Dietrich Plewa ist internationaler Dressurrichter und Mitglied im Dressurausschuss des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei (DOKR). 1963 Deutscher Juniorenmeister im Springen, wechselte er später in den Dressursattel und gehörte zwischen den 70er und frühen 90er Jahren zu den erfolgreichsten Dressurreitern Deutschlands. So wurde der Jurist, der als Rechtsanwalt in Germersheim tätig ist, 1994 bei den Deutschen Meisterschaften in Mannheim Vizemeister. Zwölf Jahre war er Landestrainer Dressur in Baden-Württemberg. chreiben?

Mit der Haftung eines Turnierveranstalters hat sich in einer sehr aktuellen Entscheidung der BGH befasst. Er kommt zu dem ? eher überraschenden ?Ergebnis, dass der Turnierveranstalter haftet, wenn sich ein Pferd an dem Fang eines Hindernisses verletzt.
 
Der Sachverhalt
Der vom BGH und zuvor in zwei Instanzen vom Land- und Oberlandesgericht behandelte Sachverhalt lässt sich wie folgt skizzieren:
In der veröffentlichten Ausschreibung hat der Veranstalter darauf hingewiesen, dass "zwischen dem Veranstalter einerseits und den Besuchern, Pferdebesitzer und Teilnehmern andererseits kein Vertragsverhältnis besteht, mithin jede Haftung für Diebstahl, Verletzung bei Menschen und Pferden ausgeschlossen ist."
Darüber hinaus enthielt die Ausschreibung den Hinweis, dass jegliche Haftung für Schäden ausgeschlossen ist, die den Besuchern, Teilnehmern und Pferdebesitzern durch leichte Fahrlässigkeit des Veranstalters, seiner Vertreter oder Erfüllungsgehilfen entstehen.
Anlässlich eines Turniers war das Pferd des Klägers, das von seiner Tochter geritten wurde, zu Schaden gekommen. An dem zweiten Hindernis einer zweifachen Kombination war es über einen Fang gesprungen, der "als fest verschraubte Holzkonstruktion mit einem Eisenfuß ausgeführt war und dessen oberes Ende einige Zentimeter niedriger lag als die obere Stange des Hindernisses". Das Pferd hatte sich schwere Verletzungen im Kniebereich zugezogen und musste schließlich eingeschläfert werden. Der Kläger verklagte den Veranstalter auf Schadensersatz. Die Klage hatte letztlich in allen Instanzen Erfolg.
 
Die Rechtsbeziehung zwischen Teilnehmer/Besitzer/Veranstalter
Der BGH ging davon aus, dass zwischen dem Teilnehmer und dem Turnierveranstalter kein Vertragsverhältnis zu Stande gekommen sei. Vielmehr handele es sich um ein "Auslobungsrechtsverhältnis", wie es auch für Preisausschreiben angenommen wird. Dabei geht es um ein einseitiges Rechtsgeschäft, bei welchem keine vertraglichen Verpflichtungen beidseits begründet werden, sondern durch die Teilnahme ? unter bestimmten Voraussetzungen lediglich der Anspruch auf den ausgelobten Geldpreis begründet wird.
Leider ist den Entscheidungsgründen nicht zu entnehmen, ob der BGH zu dieser Rechtsauffassung kommt, weil der Veranstalter in der Ausschreibung ausdrücklich hervorgehoben hatte, dass zwischen Teilnehmern, Besitzern und Veranstaltern kein Vertrag zu Stande kommt, oder ob er unabhängig davon die Rechtsauffassung vertritt. Man kann insoweit durchaus anderer Meinung sein:
Die Veröffentlichung der Ausschreibung ist aus rechtlicher Sicht die Einladung zur Abgabe eines Angebotes, nämlich eines Angebotes zum Abschluss eines Vertrages über die Teilnahme an dem angekündigten Turnier. Mit der Nennung gibt der Teilnehmer das Angebot ab, mit ihm einen Vertrag über die Teilnahme an bestimmten Prüfungen des Turniers abzuschließen. Dieser Vertrag kommt durch Annahme der Nennung seitens des Veranstalters zu Stande.
Inhaltlich ausgestaltet ist das Vertragsverhältnis durch
- die veröffentlichten Ausschreibungen,
- die allgemeinen und besonderen Bestimmungen des Veranstalters und der jeweiligen Landeskommission und
- nicht zuletzt der LPO, der sich der Reiter schon durch Beantragung der Turniersportlizenz unterworfen hat.
Der Teilnehmer wird schließlich durch Zustandekommen des Vertrages verpflichtet, den Einsatz zu zahlen, der Veranstalter demgegenüber, auf der Grundlage des Regelwerkes die Veranstaltung durchzuführen und dem Teilnehmer die Startmöglichkeit zu geben. Insoweit handelt es sich nach meiner Auffassung um einen Vertrag, der auf Seiten des Nenners und des Veranstalters Rechte und Pflichten begründet.
Folgt man dieser Auffassung, so würde die in den Ausschreibungen enthaltene Bestimmung, es handele sich nicht um einen Vertrag, rechtlich bedeutungslos sein. Der Vertragspartner hat es nämlich nicht in der Hand, seinerseits eine rechtliche Gegebenheit durch einseitige Erklärung aus der Welt zu schaffen.
Geht man von einem Vertragsverhältnis aus, so ist es rechtlich völlig unproblematisch, dass auch der Eigentümer des Pferdes, wenn er nicht zugleich Teilnehmer und Nenner ist, in den Schutzbereich des Vertragsverhältnisses einzubeziehen ist. Schließlich dient ja die Veranstaltung und damit auch zugleich die Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters gerade auch dem Pferdeeigentümer, weil dessen Pferd eine Startmöglichkeit verschafft wird und andererseits der Eigentümer ein großes Interesse daran hat, dass ein Pferd nicht durch eine Pflichtverletzung des Veranstalters zu Schaden kommt.
 
Das Preisausschreiben
Zu einem vergleichbaren Ergebnis kommt der BGH auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung. Die Veranstaltung eines Reit-Springturniers sei rechtlich als Preisausschreiben ? ein Unterfall der Auslobung ? einzuordnen. Diese rechtliche Qualifizierung sei für sportliche Wettkämpfe, bei denen Preise verliehen würden, weithin anerkannt. Zwar handele es sich bei einem Preisausschreiben um ein einseitiges Rechtsgeschäft. Dennoch bestünden zwischen dem Turnierveranstalter und den Teilnehmern Rechtsbeziehungen. Aus denen ergebe sich die Nebenpflicht, das Turnier sorgfältig und ordnungsgemäß zu organisieren und durchzuführen. Auf ein solches einseitiges Rechtsverhältnis wären die Grundgedanken zum Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter anzuwenden, so dass also nicht nur eine Haftung des Veranstalters gegenüber dem Teilnehmer, sondern auch gegenüber dem Pferdeeigentümer gegeben sei.
 
Die Pflichtverletzung
Besondere Beachtung verdient der Ausgang des Rechtsstreites, weil schon die Vorinstanzen eine Pflichtverletzung des Veranstalters angenommen hatten. Sie haben sich dabei auf das Gutachten eines Sachverständigen gestützt. Der hatte gemeint, dass die Konstruktion des Fangständers neben dem Aussprung der zweifachen Kombination, ein Steilsprung, nicht als ordnungsgemäß anzusehen sei. Er habe, da er "wenige Zentimeter niedriger" als die höchste Stange des Hindernisses war, das Pferd geradezu dazu eingeladen, nicht über das Hindernis, sondern über den Fangständer zu springen. Auf Grund seiner festen Konstruktion habe der Veranstalter auch voraussehen können, dass sich ein Pferd beim Überspringen des Fanges verletzen könne.
 
Der Haftungsausschluss
Den Versuch des Veranstalters, durch den Inhalt der Ausschreibung die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz zu beschränken, sah der BGH als gescheitert an. Er meinte, dass auf den Inhalt der Ausschreibungen die gesetzlichen Regelungen zur Kontrolle und zur Wirksamkeitskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen anzuwenden seien. Danach müssten von einem Haftungsausschluss grundsätzlich Personenschäden und darüber hinaus andere Schäden ausgenommen werden, die auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit beruhen. Da die hier überprüfte Ausschreibung Personenschäden von dem Haftungsausschluss nicht ausgenommen hatte, war die Klausel als unwirksam erachtet worden, obwohl es nicht um einen Personenschaden, sondern um den Verlust des Pferdes ging.
In diesem Punkte ist dem BGH allerdings uneingeschränkt zuzustimmen. Es steht nun mal in § 309 BGB, dass von Haftungsausschlussklauseln generell Personenschäden auszunehmen sind und anderweitige Schäden, die auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit beruhen. Insoweit wären also die Ausschreibungsbedingungen lediglich abzuändern.
 
Ergebnis/Kritische Würdigung
Letztlich hat der BGH die Revision des Vereins gegen das Urteil des Oberlandesgerichts zurückgewiesen. Es verblieb also bei der uneingeschränkten Verurteilung zur Schadensersatzleistung.
Erstaunlich ist dieses Ergebnis durchaus. Die Frage, ob nun zwischen Teilnehmer und Veranstalter ein Vertragsverhältnis zu Stande kommt, ist letztlich eher von rechtstheoretischem Interesse. Das hat ja auch der BGH so gesehen, der davon ausging, dass kein Vertragsverhältnis bestand, sondern eine einseitige Auslobung im Sinne eines Preisausschreibens.
Der Knackpunkt des Rechtsstreites ist jedoch die Frage der Pflichtverletzung. Ist es nicht gerade von Teilnehmern erwünscht, dass sich neben den Hindernissen beidseits Fänge befinden? Wirkt nicht dadurch das Hindernis einladender, wird nicht die Aufmerksamkeit des Pferdes vermehrt auf das eigentliche Hindernis gelenkt? Ist es tatsächlich zu beanstanden, wenn dann ein solcher Fang geringfügig niedriger ist als das eigentliche Hindernis? Legt man die Auffassung des in dem Rechtsstreit tätigen Gutachters zu Grunde, handeln sehr viele Turnierveranstalter pflichtwidrig. Man sieht nämlich sehr häufig Fangständer, die niedriger sind als das Hindernis. Der Gestaltungsfreiheit des Parcourschefs werden natürlich immer engere Grenzen gesetzt, wenn man verlangt, dass der Fangständer zwingend höher sein muss. Hinzu kommt, dass Fänge grundsätzlich keine "abwerfbaren Teile" haben. Springt also ein Pferd in einen Fang oder auch nur gegen ihn, so besteht ein ? nicht unerhebliches ? Verletzungsrisiko. Das wird aber nicht nennenswert dadurch verringert, dass der Fangständer nicht mit einem stabilen, aus Eisen konstruierten Fuß versehen ist. Vielmehr kann es gerade dann, wenn der Fang in seiner ganzen Größe, in einem S-Springen dann beispielsweise in einem Ausmaß von 1,60 x 1,60 m umfällt, zu folgenschweren Stürzen des Pferdes und des Reiters führen. Der Fang ist grundsätzlich kein leicht bewegliches "Hindernis", sondern in aller Regel und mit gutem Grund recht massiv konstruiert. Es mag wünschenswert sein, dass er höher ist als das eigentliche Hindernis, es erscheint jedoch eine überzogene Anforderung, dies generell verlangen zu wollen. Der Entscheidung des BGH ist leider nicht zu entnehmen, ob und mit welchen Argumenten das Gutachten des Sachverständigen angegriffen wurde. Es gibt aus meiner Sicht jedoch gute Gründe, es fachlich in Frage zu stellen.
In dem konkreten Fall hat sich ein Risiko verwirklicht, das mit dem Springreiten zwangsläufig verbunden ist. Pferde können sich schwer wiegende Verletzungen beim Überwinden eines jeden Hindernisses zuziehen, ja beim Durchreiten einer Wendung, beim fehlerhaften Taxieren von Weite oder Höhe, bei zu frühem oder zu spätem Abspringen ebenso wie bei einer missglückten Landung. Es erscheint insoweit nicht sachgerecht, dieses Risiko mit eher theoretischen Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters zu verlagern. In dem Zusammenhang ist natürlich auch zu berücksichtigen, dass es jedem Teilnehmer freisteht, nach der Besichtigung des Parcours auf eine Teilnahme zu verzichten. Er hat zwar nach Annahme seiner Nennung das Recht zu starten, aber keine Verpflichtung. Es obliegt seiner eigenen Verantwortung zu entscheiden, ob der Parcours nach seinen Anforderungen und seiner gesamten Gestaltung seinen individuellen Anforderungen entspricht. Es kann doch keine Rede davon sein, dass mit einem Fang, der geringfügig niedriger ist als das Hindernis, nicht "zu rechnen" ist, da er doch nicht an den Start geht, ohne den Parcours besichtigt zu haben. Bedauerlich ist lediglich, dass durch eine höchstrichterliche Entscheidung künftige Fälle präjudiziert werden. Es steht zu befürchten, dass das Urteil des BGH Nachahmung findet. Als Lehre aus dem Urteil des BGH ist sicherlich zu ziehen, dass die Besonderen Bestimmungen juristischer Überprüfung bedürfen. Es ist nämlich ein legitimes Interesse des Veranstalters, seine Haftungsrisiken einzuschränken. Dabei ist darauf zu achten, dass die in der Ausschreibung enthaltenen Regelungen einer gerichtlichen Kontrolle Stand halten. Außerdem bietet das Urteil natürlich für Veranstalter, Parcoursbauer und Richter auch Veranlassung, das Augenmerk noch mehr auf mögliche Gefahrenquellen im Parcours zu legen.
Dr. Dietrich Plewa Rechtsanwalt

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