Rechtsprechung: Der Pferdeeinstellungsvertrag

Erschienen am 05.08.2011

Streitpunkt Kündigungsfrist

Viele Gerichte haben sich inzwischen mit dem Problem der Kündigungsfrist beim Pferdeeinstellungsvertrag befasst. Ein einheitliches Bild ergibt sich aus den gerichtlichen Entscheidungen nicht. Einsteller wie Stallinhaber fragen sich: Welche Kündigungsfrist ist einzuhalten, eventuell gar keine?
 
Die Problemlage
Die rechtliche Problematik betrifft den typischen Pferdeeinstellungsvertrag, bei welchem der Pferdehalter ein vereinbartes Entgelt, der Stallbetreiber die Überlassung der Boxe, das Füttern, Einstreuen und Ausmisten schuldet. Kein nennenswerter Streit besteht über die Kündigungsfrist, wenn beispielsweise ein Stallgebäude insgesamt oder ein Pferdeunterstand zur Verfügung gestellt wird, ohne dass darüber hinaus Dienstleistungen erbracht werden. Dann wird von den Gerichten nahezu einheitlich die im Gesetz vorgesehene dreimonatige Kündigungsfrist nach dem Mietrecht angenommen. Gekündigt werden kann von beiden Vertragsparteien bis zum dritten Werktag eines Monats zum Ende des übernächsten Monats.
Sehr vielfältig dagegen sind die Rechtsauffassungen zum
Pferdeeinstellungsvertrag. Hier geht es gleich um zwei Probleme:
1. Welche Kündigungsfrist ist einzuhalten, wenn vertraglich keine Frist vereinbart ist?
2. Welche Kündigungsfrist kann wirksam in einem Formularvertrag vereinbart werden?
 
Der Grund des Problems
Dass die Kündigungsfrist überhaupt zum Streitpunkt wird, liegt an der Komplexität des Pferdeeinstellungsvertrages. Es ist ein so genannter "typengemischter Vertrag eigener Art". Er umfasst Elemente verschiedener Vertragstypen, die sich im BGB finden:
- mietvertragliche Elemente, nämlich Überlassung der Boxe, das Nutzungsrecht bezüglich der Reitanlage, der Sattelkammer usw.,
- dienstvertragliche Elemente, nämlich das Ausführen der Arbeiten wie Füttern, Tränken, Ausmisten und Einstreuen,
- verwahrungsvertragliche Elemente, nämlich die Aufbewahrung des dem Stallbetreiber anvertrauten Pferdes gegen Entgelt,
- kaufvertragliche Elemente, und zwar in der Form von Lieferung und Übereignung von Futter, Wasser, Heu und Einstreu.
Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg hat das Schwergewicht in dem verwahrungsvertraglichen Element gesehen. Für diesen Vertragstyp kennt das BGB keine Kündigungsfrist. Deswegen war das OLG der Auffassung, weder Pferdeeinsteller noch Stallbetreiber hätten überhaupt eine Kündigungsfrist einzuhalten. Dieser Auffassung haben sich dann etliche Amtsgerichte - völlig kritiklos ? angeschlossen, so auch in einer aktuellen Entscheidung das Amtsgerichts Sinsheim. Dessen Urteil hatte dann allerdings in zweiter Instanz keinen Bestand. Das Landgericht Heidelberg hat sich etwas näher mit der Rechtslage auseinander gesetzt. Es hat insbesondere auch ? was eher selten vorkommt ? einen Standpunkt vertreten, der demjenigen eines höheren Gerichts, nämlich des OLG Brandenburg, widerspricht.
Das Landgericht (LG) könne der Rechtsauffassung nicht folgen, dass der Pferdeeinstellungsvertrag als Verwahrungsvertrag zu qualifizieren und daher jederzeit ohne Einhaltung von Kündigungsfristen zu beenden sei.
Das LG bestätigt, dass bei der reinen Anmietung einer Boxe ohne jede Pflicht zur Fütterung oder Reinigung oder auch bei der Uberlassung von Weidefläche zur Offen- und Robusthaltung von einem Mietvertrag auszugehen sei. Der typische Pferdeeinstell- oder Pensionsvertrag jedoch sei ein "typengemischter" Vertrag mit mietrechtlichen und verwahrungsrechtlichen Elementen. Das LG widerspricht den Auffassungen, dass grundsätzlich von der mietvertraglichen Kündigungsfrist (drei Monate) oder von gar keiner Kündigungsfrist entsprechend dem Verfahrungsvertrag auszugehen sei. Maßgeblich sei eine "interessengerechte Auslegung" des jeweiligen Vertrages. Entscheidend sei die richtige Würdigung der Interessen beider Parteien des Pferdepensionsvertrages. Die führe zu einer Kündigungsfrist von einem Monat. Gar keine Kündigungsfrist anzunehmen, sei nicht interessengerecht. Der Stallinhaber sei schließlich gewerblich tätig. Er müsse in größerem Umfang auch langfristige Dispositionen treffen, um seinen Verpflichtungen gerecht zu werden. Andererseits habe auch der Pferdeeinsteller ein Interesse daran, dass die Unterbringung seiner Pferde gesichert sei. Es sei schließlich nicht immer ohne Weiteres möglich, "von einem Tag auf den anderen" eine anderweitige Unterbringungsmöglichkeit zu finden. Ergebnis daher: Ist keine Kündigungsfrist vereinbart, gilt eine solche von einem Monat.
 
Der Formularvertrag
Sehr häufig werden vorgedruckte Formularverträge verwendet. Die beinhalten regelmäßig eine Kündigungsfrist, nicht selten eine solche von drei Monaten. Warum sollte diese Vereinbarung nicht wirksam sein, da doch der Pferdeeinstellungsvertrag jedenfalls auch mietvertragliche Elemente enthält und insoweit ohnehin eine dreimonatige Kündigungsfrist gilt? Mit einer sehr ausführlichen Begründung hat das Amtsgericht Grünstadt (AG) eine abweichende Auffassung vertreten. Der Amtsrichter hat sich größte Mühe gegeben, in seine Erwägungen die Vielfalt der gerichtlichen Entscheidungen zur vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist zu berücksichtigen. Auch das AG bestätigt, dass es sich beim Pferdeeinstellungsvertrag um einen "typengemischten Vertrag eigener Art" handelt. Keines der einzelnen Elemente bilde einen rechtlichen oder wirtschaftlichen Schwerpunkt. Aus dem Vertragstyp könne daher überhaupt kein Rückschluss auf die Dauer einer angemessenen Kündigungsfrist gezogen werden. Das AG hat sich ausdrücklich der Ansicht des Brandenburgischen OLG entgegengestellt. Nach seiner Auffassung kann jedenfalls dann, wenn neben der Unterbringung des Pferdes auch das Füttern, Tränken, Einstreuen und Ausmisten geschuldet ist, nicht von einem Verwahrungsvertrag ausgegangen werden.
Der entscheidende Gesichtspunkt im Urteil des AG liegt aber darin, dass es die Vertragsklausel mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten für unwirksam hält. Eine dreimonatige Kündigungsfrist weiche zu Gunsten des Stallbetreibers, zu Ungunsten des Einstellers von der gesetzlichen Regelung ab. Hierin liege eine unangemessene Benachteiligung des Einstellers (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
Ob dieser Auffassung allerdings gefolgt werden kann, erscheint durchaus fraglich. Eine dreimonatige Kündigungsfrist in Pferdeeinstellungsverträgen ist worden. Da das Urteil des AG Grünstadt nicht angefochten wurde, kam es nicht zur Überprüfung durch ein Landgericht.
Da die dreimonatige Kündigungsfrist von dem Amtsrichter für unwirksam erachtet wurde, musste sich auch das AG mit der Frage befassen, welche Kündigungsfrist dann zu gelten habe. Der Amtsrichter meinte, unter Berücksichtigung der gegenseitigen Interessen der Vertragsparteien sei eine Frist von zwei Monaten zum Monatsende angemessen.
 
Die ersparten Eigenaufwendungen
Zieht der Einsteller vor Ablauf der Kündigung aus, hat der Stallinhaber keine Kosten mehr für Futter, Wasser und Einstreu. Er muss sich dann seine ersparten Aufwendungen anrechnen lassen. Auch hierzu gibt es zahlreiche Urteile. In dem vom AG Grünstadt entschiedenen Fall waren 110,00 EUR/Monat als angemessener Abzug angesehen worden. Der Richter sah sich in der Lage, den Betrag zu schätzen, er hielt es nicht für erforderlich, erst durch einen Gutachter klären zu lassen, welchen Wert die ersparten Aufwendungen haben.
 
Fazit
Rechtssicherheit gibt es bezüglich der Kündigungsfrist bei
Pferdeeinstellungsverträgen nicht. Fasst man den Meinungsstand in juristischer Literatur und gerichtlichen Entscheidungen zusammen, so ist zwischen zwei Fallgruppen zu unterscheiden.
 
1.       Es ist keine Kündigungsfrist vertraglich vereinbart
Hierzu wird die Auffassung vertreten, es sei gar keine Kündigungsfrist einzuhalten, das Vertragsverhältnis könne also jederzeit "von heute auf morgen" beendet werden. Nach vermittelnder Meinung ist ein angemessener Interessenausgleich vorzunehmen. Der könnte bei einer Kündigungsfrist von einem Monat liegen. Die weitestgehende Auffassung legt die mietvertragliche Kündigungsfrist von rund drei Monaten zu Grunde.
 
2.       Es ist vertraglich eine Kündigungsfrist vorgesehen
Die Kündigungsfrist ist grundsätzlich verbindlich. Es wird allerdings die Auffassung vertreten, dass die in einem Formularvertrag nicht länger als zwei Monate zum Monatsende betragen darf, weil andernfalls eine überraschende Klausel vorliegt, die den Pferdeeinsteller unangemessen benachteiligt.
Um dem Streit aus dem Wege zu gehen, sollte in jedem Fall der Pferdeeinstellungsvertrag schriftlich abgeschlossen werden, eine Kündigungsfrist enthalten und zwar zur Vermeidung von Prozessrisiken von maximal zwei Monaten zum Monatsende.
 
Dr. Dietrich Plewa - Rechtsanwalt

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