Pferdekauf: Röntgenklasse als vereinbarte Beschaffenheit

Erschienen am 04.12.2011

Es gibt immer noch viele ungeklärte Fragen und Streitfälle

Obwohl das "neue" Kaufrecht schon seit 2002 gilt, gibt es immer noch viele ungeklärte Fragen und Streitfälle. Im Zentrum von Rechtsstreitigkeiten steht oftmals das Problem, was unter einer vertraglich vereinbarten "Beschaffenheit" zu verstehen ist.

Der Begriff des Sachmangels

In der zentralen Vorschrift des § 434 BGB heißt es: Eine Kaufsache ist frei von Sachmängeln, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hat.

Die Bestimmung ist auf Tiere entsprechend anzuwenden, § 90 a BGB. Was im konkreten Fall unter Beschaffenheit zu verstehen ist, richtet sich nach den zwischen den Kaufvertragsparteien getroffenen Vereinbarungen. Die können sowohl schriftlich als auch mündlich verabredet sein. Entscheidend ist, dass Käufer und Verkäufer verbindlich festgelegt haben, welche Eigenschaften das verkaufte Pferd haben soll.

Sehr häufig bezieht sich die vereinbarte Beschaffenheit auf den Gesundheitszustand des Pferdes. In vielen Vertragsformularen beispielsweise wird das Ergebnis einer tierärztlichen Kaufuntersuchung zum Inhalt der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit erhoben. Ebenso können sich Käufer und Verkäufer dahin verständigen, dass das Pferd, auch ohne überhaupt untersucht worden zu sein, bestimmten gesundheitlichen Ansprüchen genügen muss, beispielsweise keine Röntgenveränderungen aufweisen darf, die ungünstiger einzustufen sind als in die Klasse II des Röntgenleitfadens.

Der Beispielsfall

In einem vom Landgericht Ellwangen (LG) entschiedenen Prozess hatte der Verkäufer im schriftlichen Vertrag darauf verwiesen, dass das Pferd zwei Jahre zuvor im Alter von vier Jahren untersucht worden sei. Es wurde ein Röntgenprotokoll mitgegeben, in welchem dem Pferd die Röntgenklasse II bescheinigt wurde. Kurze Zeit nach Übergabe lahmte das Pferd. Die Untersuchung ergab Röntgenbefunde der Klasse III bis IV. Der Käufer stellte sich auf den Standpunkt, dass die Angabe der Röntgenklasse zu der zwei Jahre vor Vertragsabschluss durchgeführten Untersuchung die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit darstelle. Das Pferd sei also schon deswegen mangelhaft, weil es bei Übergabe deutlichere Röntgenbefunde aufgewiesen habe. Dem hielt der Verkäufer entgegen, dass im Vertrag ausdrücklich darauf hingewiesen worden war, dass die Röntgenbilder angefertigt worden waren, als das Pferd erst vierjährig war, während es sechsjährig verkauft wurde.

Das LG schaltete einen Sachverständigen ein. Der bestätigte, dass das Pferd zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Röntgenbefunde der Klasse III bis IV aufwies und meinte, dass auch schon zwei Jahre zuvor die Röntgenbilder in die Röntgenklasse III einzustufen gewesen wären.

Das LG gab der Klage des Käufers statt. Es sah in dem vertraglichen Hinweis, dass das Pferd in Röntgenklasse II eingestuft worden sei, was auch in dem an den Käufer ausgehändigten Untersuchungsprotokoll stand, eine vertraglich vereinbarte Beschaffenheit. Der habe das Pferd bei Übergabe nicht entsprochen. Innerhalb von sechs Monate ab Übergabe waren Röntgenbefunde der Klasse III bis IV festgestellt worden. Da der Verkäufer gewerblich tätig war, der Kläger des Rechtsstreites dagegen das Pferd für Hobbyzwecke erworben hatte, ging das LG von einem

"Verbrauchsgüterkaur aus. Für den gilt bekanntlich die Beweisvermutung, dass Mängel, die sich innerhalb von sechs Monaten ab Übergabe zeigen, auch bei Gefahrübergang bereits vorlagen.

Das Berufungsgericht

Das in zweiter Instanz mit dem Fall befasste Oberlandesgericht (OLG) ging sogar noch einen Schritt weiter. Der Verkäufer hatte geltend gemacht, dass das Pferd bei Gefahrübergang jedenfalls nicht lahm war und dass die Erklärung, das Pferd sei vierjährig in Klasse II einzustufen gewesen, nichts anderes bedeute, als zum damaligen Zeitpunkt ein Tierarzt diese Klassifizierung vorgenommen habe. Von einer Beschaffenheitsvereinbarung könne keine Rede sein. Außerdem sei ja im Alter von vier Jahren allenfalls ein Röntgenbefund der Klasse III vorhanden gewesen. Da das Pferd aber unstreitig nicht gelahmt habe, sei ein solcher Befund nicht als Mangel anzusehen.

Das OLG folgte dieser Argumentation nicht. Es bestätigte die Ansicht des Landgerichts, wonach in dem Hinweis auf die Untersuchung, die zwei Jahre zuvor durchgeführt war, eine Beschaffenheitsvereinbarung zu sehen sei. Diese Vereinbarung beziehe sich aber nicht auf den Zeitpunkt der Übergabe, sondern auf den Zustand des Pferdes im Alter von vier Jahren. Nun war allerdings unstreitig, dass das Pferd schon damals nicht der Röntgenklasse II entsprach, sondern in die Röntgenklasse III einzustufen gewesen wäre. Das war nach Auffassung des OLG entscheidend. Dass das Pferd keine klinische Symptomatik in der Form einer Lahmheit gezeigt habe, sei nicht wesentlich. Die Beschaffenheitsvereinbarung beschränke sich auf die Röntgenklasse, nicht auf einen klinischen Befund.

Fazit

Der Verkäufer muss auch dann Vorsicht walten lassen, wenn er sich auf eine lange vor Kaufvertragsabschluss durchgeführte tierärztliche Untersuchung bezieht. Der Hinweis auf das Untersuchungsergebnis wird von Gerichten regelmäßig als vertraglich vereinbarte Beschaffenheit angesehen. Dann aber muss das Pferd auch in jeder Hinsicht entsprechen. Bei Röntgenklassen kommt es nicht darauf an, ob das Pferd schon klinische Auffälligkeiten zeigt. Mangelhaft ist es schon dann, wenn es der vertraglich zu Grunde gelegten Röntgenklasse nicht genügt.

Dr. Dietrich Plewa - Rechtsanwalt (Fachanwalt für Medizinrecht)

 

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