Rechtsprechung: Haftpflicht des Tierarztes

Erschienen am 04.01.2012

Die tierärztliche Dokumentationspflicht

Gerade Tierarzt-Haftpflichtprozesse werden oftmals danach entschieden, ob ein Behandlungsfehler nachgewiesen werden kann. In dem Zusammenhang spielt die Verpflichtung des behandelnden Tierarztes eine Rolle, den wesentlichen Gang der Behandlung zu dokumentieren. Dieser Beitrag geht der Frage nach, ob es für den Pferdeeigentümer nennenswerte Vorteile bringt, wenn der Tierarzt seine Dokumentationspflicht verletzt.

Die Beweislast
Es ist ein grundsätzlicher Fehler, annehmen zu wollen, dass ein Tierarzt schon dann haftet, wenn die in Auftrag gegebene Behandlung keinen Erfolg bringt. Der mit dem Tierarzt abgeschlossene Vertrag ist rechtlich als Dienstvertrag zu qualifizieren. Dies bedeutet, dass der Tierarzt "nur" eine an den Regeln der tierärztlichen Kunst orientierte Behandlung und Untersuchung des Pferdes schuldet, aber gerade keinen Behandlungserfolg. Deswegen hat er auch - von seltenen Ausnahmen abgesehen - einen Anspruch auf sein tierärztliches Honorar, auch wenn das beispielsweise wegen einer Lahmheit therapierte Pferd bei Abschluss der Behandlung immer noch lahmt.
Ein Schadensersatzanspruch gegenüber dem Tierarzt setzt voraus, dass er seine vertraglichen Pflichten verletzt hat und dass die Pflichtverletzung für einen Schaden ursächlich wurde, beispielsweise für den Verlust des Pferdes. Der Pferdebesitzer und Auftraggeber hat nachzuweisen, dass der Tierarzt einen Behandlungsfehler begangen hat und dass der letztlich entscheidend dafür war, dass das Pferd nicht hatte gerettet werden können. Dieser Beweis ist oftmals nicht zu führen.
Ausnahmsweise kommt eine Beweislasterleichterung in Betracht, wenn dem Tierarzt ein grober Behandlungsfehler unterlaufen ist. Dann aber muss zunächst einmal vom Auftraggeber nachgewiesen werden, dass der Tierarzt in geradezu unverständlicher Weise gegen seine Sorgfaltspflichten verstoßen hat. Gelingt dieser Nachweis, dann hätte der Tierarzt zu beweisen, dass das Pferd auch dann nicht hätte gerettet werden können, wenn er den "groben Behandlungsfehler" nicht begangen hätte.

Die Dokumentation
Gerade wegen der Beweisschwierigkeiten wird oftmals versucht, Vorteile für den Pferdeeigentümer aus einer lückenhaften Dokumentation des Tierarztes abzuleiten. Die Behandlungsunterlagen sollen den wesentlichen Behandlungsverlauf wiedergeben, damit ein nachbehandelnder Tierarzt ausreichend informiert ist. Zugleich aber soll die Dokumentation auch die Grundlage sein für die Verfolgung möglicher Schadensersatzansprüche. Da der Tierarzt aber eben "nur" ein Pferd behandelt, sind die Anforderungen an die Dokumentationspflicht nicht so streng wie im Bereich der Humanmedizin. Es sind allerdings die wichtigsten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen und Verlaufsdaten zu dokumentieren. Aber: Dokumentationsversäumnisse führen nicht zu einer eigenständigen Haftung des Tierarztes, können vielmehr "in der Regel nur das Unterbleiben einer aufzeichnungspflichtigen Maßnahme indizieren", meinte zuletzt das Landgericht Hechingen (LG). Dies bedeutet: Musste der Tierarzt bei einer Kolik das Pferd rektal untersuchen, erscheint dieser Untersuchungsschritt aber nicht in seiner Dokumentation, dann hat der Tierarzt nachzuweisen, dass er die Untersuchung trotz fehlender Aufzeichnung tatsächlich durchgeführt hat. Unklarheiten oder Lücken in der Dokumentation rechtfertigen noch keine generelle Beweislastumkehr bezüglich unbewiesener Behandlungsfehler, insbesondere keineBeweislastumkehr zu Lasten des Tierarztes kommt erst in Betracht, wenn das Unterlassen der nicht aufgezeichneten Maßnahme, z. B. der rektalen Untersuchung beim Koliker, grob fehlerhaft ist.

Die Arzneimittel-Abgabenverordnung
Der Besitzer eines Pferdes muss sich bekanntlich entscheiden, ob sein Pferd "für die Lebensmittelgewinnung" zugelassen sein soll. Dann sind die Behandlungsmöglichkeiten des Tierarztes eingeschränkt, weil nicht alle gängigen Medikamente verwendet werden dürfen. Entscheidet sich der Pferdehalter nicht dafür, sein Pferd als Nicht-Schlachtpferd zu deklarieren, muss der Tierarzt die verwendeten Präparate in Abgabebelegen festhalten.
Nun könnte man meinen, dass tatsächlich Medikamente, für die ein solcher Abgabebeleg nicht ausgestellt wurde, nicht verabreicht wurden. Das trifft jedoch nicht zu: Die erwähnte Verordnung definiert nicht den Umfang der tierärztlichen Dokumentationspflicht, sondern liegt im öffentlichen Interesse, also dem Schutz der Gesundheit.

Fazit
Es existiert eine tierärztliche Dokumentationspflicht. Aus deren Verletzung allerdings kann der Patientenbesitzer nur eher selten Vorteile für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen ableiten.
Dr. Dietrich Plewa

 

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