Die Haftung des Pferdehalters

Erschienen am 09.05.2012

Nicht jeder Sturz führt zur Tierhalterhaftung

Die Haftung des Pferdehalters knüpft daran an, dass sich in einem Schadensereignis die von dem Pferd ausgehende "Tiergefahr" realisiert hat. Grundsätzlich genießt auch der Reiter den Schutz der Tierhalterhaftung. Das gilt aber nicht ausnahmslos, wie dieser Beitrag zeigt.

Der Fall

Ein Reiterverein wurde auf Schadensersatz verklagt. Klägerin war eine Krankenkasse, die Behandlungskosten geltend machte für eine Versicherte, die mit einem Pferd des Reitervereins einen Unfall erlitten hatte. Sie war im Verlaufe einer Reitstunde gestürzt bei dem Versuch, das Pferd anzugaloppieren.

In § 833 BGB heißt es, dass der Halter eines Tieres für den von dem Tier verursachten Schaden einzustehen hat. Ansprüche aus der so genannten Tierhalterhaftung gehen auf die Krankenversicherung über, wenn durch die Verletzung des Geschädigten Behandlungskosten entstehen. Daher konnte die Versicherung im eigenen Namen klagen. Sie stützte den Anspruch darauf, dass die Reiterin von einem Pferd gestürzt war, das seit mehreren Jahren im Schulbetrieb des Vereins eingesetzt war. Der Unfall hatte sich im Rahmen einer Longenstunde ereignet. Die Reiterin war herunter gefallen, als sie auf Anweisung der Lehrerin versuchte, anzugaloppieren.

Die Reiterin selbst hatte geschildert, dass das Pferd "irgendwie einen Sprung" gemacht haben, der von ihr deutlicher als vorhergesehen empfunden wurde. Es habe sich aber nur um einen "kleinen Hopser" gehandelt, der auch ein erhöhter Galoppsprung gewesen sein könne.

Das Landgericht hat danach nicht die Überzeugung gewinnen können, dass der Sturz der Reiterin durch die vom Pferd ausgehende "Tiergefahr" verursacht worden ist. Die Haftung des Tierhalters nach § 833 BGB setzt voraus, dass sich die von dem Pferd ausgehende Unberechenbarkeit auswirkt und dass die ursächlich für den eingetretenen Schaden ist.

Das Landgericht meinte, es könne sich bei dem Sturz der Reiterin lediglich das mit dem Reiten verbundene allgemeine Risiko verwirklicht haben. Je nach Stärke der von der Reitschülerin gegebenen Hilfe habe das Pferd möglicherweise nur entsprechend stark reagiert und damit die Reiterin überfordert. Das aber sei nur das mit dem Reiten unvermeidbar verbundene Risiko, nicht aber Auswirkung der typischen Tiergefahr.

Die zweite Instanz

Die gegen das Urteil des LG eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg. Das OLG Karlsruhe sah sich zu grundsätzlichen Ausführungen veranlasst. Es hob hervor, dass § 833 BGB nur dann eingreife, wenn sich "eine durch das der tierischen Natur entsprechende unberechenbare selbständige Verhalten des Tieres hervorgerufene Gefährdung" verwirkliche. Das sei dann der Fall, wenn ein Schaden durch ein selbsttätiges, willkürliches Verhalten des Pferdes herbeigeführt würde. Folge dagegen lediglich ein Tier der Leitung des Reiters, sei der Schaden nicht durch das Tier, sondern durch den Menschen verursacht. Dann aber komme eine Haftung des Pferdehalters nicht in Betracht. Die Beweislast dafür, dass ein Schaden auf Grund eines tierischen Eigenschaften entsprechenden Verhaltens des Pferdes und nicht auf Grund einer Anweisung durch den Reiter eingetreten sei, trage der Geschädigte.

In dem konkreten Fall habe die Klägerseite den ihr obliegenden Nachweis, dass die Voraussetzungen der Tierhalterhaftung vorlägen, nicht geführt. Nach der Aussage der Reiterin sei zwar der erste Galoppsprung für sie unerwartet gekommen und heftiger als vorgesehen. Der "Hopser des Pferdes sei aber die Reaktion darauf gewesen, dass sie ihren Unterschenkel nach hinten genommen und Druck ausgeübt habe.

Aus den Angaben der Reiterin sei — so das OLG — nicht zu entnehmen, dass das Pferd auf deren Kommando anders als vorgesehen reagiert habe.

Fazit

Aus den geschilderten Urteilen lässt sich der völlig zutreffende Schluss ziehen, dass nicht etwa jeder Sturz eines Reiters von einem ihm nicht gehörenden Pferd zur Haftung des Tierhalters führen kann. Wer reitet, nimmt ein gewisses Risiko in Kauf, wie es mit anderen Sportarten auch verbunden ist. Dass der Tierhalter überhaupt ohne eigenes Verschulden einzustehen hat, hat der Gesetzgeber daraus abgeleitet, dass von einem Pferd ein bestimmtes, erhöhtes Risiko ausgeht. Nur dann, wenn sich dieses Risiko, die so genannte Tiergefahr, auch verwirklicht, kommt eine Haftung des Pferdeeigentümers in Betracht.

Dr. Dietrich Plewa Rechtsanwalt

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