Rechtsbeitrag aus der Praxis

Erschienen am 03.06.2012

Ist der Schadensersatzanspruch durch den Wert des verletzten Pferdes begrenzt?

Wird auf der Weide ein Pferd von einem anderen geschlagen, können die Tierarztkosten durchaus den Wert des verletzten Pferdes übersteigen. Dieser Beitrag befasst sich mit der Frage, ob die Schadensersatzpflicht des Halters des ausschlagenden Pferdes der Höhe nach begrenzt ist.

Die Rechtsfrage

Wird beim Verkehrsunfall ein Fahrzeug durch einen anderen Verkehrsteilnehmer schuldhaft beschädigt, spricht man von einem wirtschaftlichen Totalschaden. Hat etwa der beschädigte PKW einen Wert von nur noch 1.000,00 E, so ist es naheliegend, dass der Geschädigte nicht verlangen kann, Reparaturkosten in Höhe von 3.000,00 ersetzt zu verlangen. Die Schadensersatzpflicht ist der Höhe nach begrenzt. Bei Sachen ist die Schwelle der Verhältnismäßigkeit bei 130 % des Verkehrswertes des geschädigten Fahrzeuges angesiedelt. Übersteigen die Reparaturkosten diese Grenze, kann sich der Geschädigte entscheiden, ob er die darüber hinausgehenden Aufwendungen selbst trägt oder aber sich mit einer Schadensregulierung auf Totalschadensbasis abfindet.

Wollte man die Verhältniskeitsschwelle von 130 % auf Tiere übertragen, hätte dies die für den geschädigten Pferdehalter nicht akzeptable Konsequenz, dass er sein verletztes Pferd letztlich einschläfern lassen müsste, wenn absehbar ist, dass der Aufwand für die tierärztlichen Behandlungskosten den Wert um mehr als 30 % übersteigen. Dass ein solches Ergebnis nicht tragbar wäre, liegt auf der Hand. Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts München (OLG) hat sich mit der Rechtsfrage auseinandergesetzt, wo die Verhältnismäßigkeitsschwelle anzusiedeln ist.

Das OLG

Gegenstand des Rechtsstreits, der vom OLG München entschieden wurde, war die Verletzung eines 5 1/2 Jahre alten Hundes, dessen Wert von dem Gericht auf 700,00 geschätzt wurde. Von dem geschädigten Hundehalter waren Schadensersatzansprüche in Höhe von rund 14.000,00 geltend gemacht worden.

Das OLG erkannte durchaus an, dass der Kläger eine emotionale Bindung an den verletzten Hund hatte. Es hat Verständnis dafür geäußert, dass wegen der Verbundenheit mit dem Tier Behandlungskosten zu erstatten wären, die den Wert auch übersteigen dürften. Das "extrem hohe Affektionsinteresse" des Hundehalters sei zu berücksichtigen. Eine Begrenzung auf 130 °A) des Wertes komme daher nicht in Frage. Die Verhältnismäßigkeitsschwelle sei bei einem Tier deutlich höher anzusetzen. Das OLG meinte, dass etwa bei einem Goldhamster, der einen geringen Wert von ca. 5,00 habe, selbst eine Heilbehandlung von 50,00 E, also dem 10-fachen des Wertes, noch zu ersetzen sei. Bei einem wertvolleren Tier jedoch, sei ein "geringeres Vielfaches des Wertes anzusetzen".

Bei dem verletzten Hund sah das Gericht die Grenze bei dem 6-fachen des Wertes, die Schadensersatzpflicht des beklagten Hundehalters, dessen Tier die Hündin des Klägers angegriffen hatte, wurde daher auf 4.200,00 € begrenzt.

Fazit

Jedenfalls bei einem aus Liebhaberei gehaltenen Pferd sind tierärztliche Behandlungskosten von demjenigen, der für den Schaden haftungsrechtlich einzustehen hat, auch dann zu ersetzen, wenn der Behandlungsaufwand den Wert des Pferdes deutlich übersteigt. Aus der Entscheidung des OLG München lässt sich nicht zwingend ableiten, dass bei einem Pferd, dessen Wert in der Regel doch deutlich höherist als der eines Hundes, die Verhältnismäßigkeitsgrenze bei dem 6-fachen des Verkehrswertes liegt. Jedenfalls dürfte dort, jeweils abhängig von den Umständen des Einzelfalles, die äußerste Obergrenze zu suchen sein, während die Untergrenze etwa beim 3-fachen des Wertes liegen dürfte.

Dr. Dietrich Plewa Rechtsanwalt

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