Pferderecht: Das sagen die Gerichte

Erschienen am 02.09.2012

Hat der Veranstalter einer Treibjagd eine Verkehrssicherungspflicht gegenüber Reitern?

"Reiter contra Jäger", so könnte man einen Rechtsstreit überschreiben, der sich durch drei Instanzen zog. Es ging dabei um die Frage, wie weit die Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters einer Treibjagd gegenüber Reitern reicht, deren Pferde auf Grund von Schussgeräuschen scheuen.

Der Sachverhalt

Beklagter des Prozesses war der Leiter einer Treibjagd. Die Klägerin hatte auf einem Waldweg in der Nähe des Jagdgebietes einen Ausritt unternommen. Nachdem sie etwa die Hälfte der geplanten Route zurückgelegt hatte, hörte sie einen Schuss, entschloss sich aber, den Ausritt fortzusetzen. Kurze Zeit später aber scheute das Pferd, nachdem ein weiterer Schuss wahrzunehmen war. Die Klägerin war gestürzt, hatte sich verletzt und nahm daraufhin den Veranstalter der Treibjagd auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Kernfrage

Im Mittelpunkt der rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes stand die so genannte Verkehrssicherungspflicht. Die trifft generell jeden, der eine "Gefahrenlage — gleich welcher Art — schafft". Die Verkehrssicherungspflicht gilt deswegen beispielsweise für den Veranstalter eines Reitturniers ebenso wie für den Betreiber eines Pensionsstalles. Es müssen die "notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen getroffen werden, um eine Schädigung Anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um Andere vor Schäden zu bewahren", so die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH). In dem Treibjagdfall hat der BGH hervorgehoben, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden könne. Ein allgemeines Verbot, Andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung von vorn herein ausschließe, sei im praktischen Leben nicht erreichbar. Daher müsse nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es seien vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung Anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt sei genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich halte. Was heißt das konkret? Auch hierzu sind die juristischen Formulierungen eher abstrakt. Danach reicht es "anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind." Dieser-Maßstab war hier anzulegen auf den Jagdveranstalter einerseits und die potentiell Gefährdeten, nämlich Jagdbeteiligte, Reiter oder Spaziergänger andererseits.

Das Ergebnis

"Wenn nach den beschriebenen Maßstäben keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung Anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten wäre, dass ausnahmsweise doch einmal ein Schaden eintrete, so muss der Geschädigte — so hart dies im Einzelfall sein mag — den Schaden selbst tragen." So liege der Fall hier, meinte der BGH, der in dritter und letzter Instanz den Fall zu beurteilen hatte.

Der Veranstalter der Treibjagd sei nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin vor den unkontrollierbaren Reaktionen des Pferdes auf ein Schussgeräusch zu schützen. Der Veranstalter der Jagd habe beispielsweise zu vermeiden, dass es zu Verkehrsunfällen durch fliehendes Wild beim Überqueren von Straßen komme sowie, dass Jagdteilnehmer und dritte Personen durch Schüsse verletzt würden. Eine Verkehrssicherungspflicht dahingehend, sich in der Nähe des Jagdgebietes aufhaltende Reiter vor Schussgeräuschen, auf die deren Pferde schreckhaft reagierten, zu schützen, ergäbe sich nicht. Es hätte insoweit auch keiner Warnung vor Schussgeräuschen bedurft. Es handele sich um Lärmbeeinträchtigungen, mit denen allgemein in Waldgebieten gerechnet werde und die hinzunehmen seien. Eine Warnpflicht vor Geräuschen, die individuell sehr unterschiedlich aufgenommen würden, wäre mit einem vernünftigen praktischen Aufwand nicht erfüllbar.

Fazit

Nicht immer, wenn ein Schaden eintritt, gibt es jemanden, der zahlen muss. Gewisse Risiken trägt ein Geschädigter selbst. Auch eine ihm gegenüber grundsätzlich geltende Verkehrssicherungspflicht hat ihre Grenzen.  (Dr. Dietrich Plewa)

Warenkorb

Sie haben 0 Artikel in Ihrem Warenkorb

Warenkorbwert: 0,00€