Rechtsprechung in Sachen Pferderecht
Erschienen am 06.10.2012
Ausfall eines Reitpferdes als Schaden?
Wenn ein Pferd durch Fremdverschulden verletzt wird und nicht geritten werden kann, wird oftmals eine Nutzungsentschädigung verlangt oder Ersatz der Unterhaltungskosten für die Zeit des Nutzungsausfalls. Dieser Beitrag geht der Frage nach, ob ein solcher Anspruch gegeben ist.
Der materielle Schaden
Ein Grundsatz des Schadensersatzrechtes ist der, dass nur "materielle Schäden" zu ersetzen sind. Eine Ausnahme bildet der Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes. Hierbei geht es um "immateriellen Schaden". Das Schmerzensgeld umfasst nicht etwa die Behandlungskosten, stellt vielmehr einen finanziellen Ausgleich für durch ein Schadensereignis erlittene Schmerzen dar, seien sie psychischer oder physischer Art. Von dieser Ausnahme abgesehen wird immer nur das entschädigt, was sich negativ in der Vermögenssituation des Geschädigten niederschlägt.
Wird beispielsweise ein Pferd schuldhaft verletzt, z. B. durch einen unaufmerksamen Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr, so werden zweifellos die Behandlungskosten erstattet, die im Zusammenhang mit der Behandlung des Pferdes anfallen. Zu beachten ist allerdings, dass der Geschädigte zur Schadensminderung verpflichtet ist. Er ist also beispielsweise gehalten, einen Tierarzt in seiner Nähe einzuschalten, wenn der qualifiziert genug ist, um die Therapie durchzuführen. Die Inanspruchnahme eines weiter entfernten Tierarztes würde dann nur insoweit zu ersetzen sein, als dadurch keine Mehrkosten entstehen. Problematisch ist immer wieder die Erstattungsfähigkeit von Kosten für die Inanspruchnahme von
Physiotherapeuten,
Chiropraktikern,
Heilpraktikern,
Reha-Leistungen wie Aquatrainer etc.
Wendet der Geschädigte oder dessen Haftpflichtversicherung ein, dass diese Behandlungen nicht erforderlich waren, hat der Pferdeeigentümer die Angemessenheit und Notwendigkeit des therapeutischen Aufwandes darzulegen und nachzuweisen.
Das Kernproblem
Oftmals wird neben den finanziellen Aufwendungen auch Ersatz verlangt für die entgangenen Nutzungen. Darauf gerichtete Klagen scheitern regelmäßig. Das gilt bisher uneingeschränkt für den Ausfall von aus Liebhaberei gehaltenen Pferden. Die Nutzungsvorteile, die der Hobbyreiter in Ausübung seiner reitsportlichen Tätigkeiten hat, stellen nach der einschlägigen Rechtsprechung keinen Vermögenswert dar, sind vielmehr als "Luxus" zu qualifizieren. Der BGH hatte in jedem Jurastudenten bekannten Entscheidungen, dem Pelzmantel- und dem Schwimmbadfall, entschieden, dass entgangener Luxus grundsätzlich nicht zu entschädigen ist mit dem Ergebnis, dass die Eigentümerin eines wertvollen Pelzmantels keinen Anspruch auf Entschädigung dafür hat, dass wegen eines verschuldeten Schadens an dem Mantel dieser zu dem vorgesehenen Anlass nicht getragen werden kann. Auch stellte nach Auffassung des BGH die vorübergehend ausgefallene Nutzung eines Swimmingpools keinen zu entschädigenden Vermögensnachteil dar. Diese Grundsätze sind entsprechend auf den Ausfall eines Reitpferdes anzulegen.
Der Auffassung wird dann oftmals entgegengehalten, dass zumindest die entstandenen Unterhaltungsaufwendungen für die Zeit des verletzungsbedingten Nutzungsausfalls zu ersetzen seien. Schließlich stünden ja den Kosten für Unterstellung, Fütterung, Pflege und Hufschmied nicht die sonst gegebenen Nutzungsvorteile gegenüber. Es handele sich also um - so die Argumentation - "frustrierte Aufwendungen". Auch diese Ansicht führt allerdings nicht zum Erfolg. Bei den Unterhaltungsaufwendungen handelt es sich nämlich um Sowieso-Kosten. Die wären dem Pferdehalter auch dann entstanden, wenn das Pferd nicht verletzt worden wäre.
Ausnahmen
Ausnahmen sind durchaus denkbar: Fällt beispielsweise ein Pferd aus, das regelmäßig in einem Reitschulbetrieb eingesetzt wird, kann entgangener Gewinn geltend gemacht werden. Voraussetzung ist aber, dass die für das verletzte Pferd vorgesehene Reitstunden tatsächlich ausfallen, dem Pferdehalter also ein Schaden entsteht.
Nicht eindeutig lässt sich die Frage beantworten, ob entgangene Preisgelder durch ausgefallene Turnierteilnahmen zu ersetzen sind. Grundsätzlich sind auch die kein erstattungsfähiger Schaden. Einen Geldpreis durch Turnierteilnahme zu erzielen, ist nämlich lediglich eine "Chance", aber noch kein realistischer Vermögenswert. Der Pferdehalter hat insoweit eine Aussicht auf einen Turniergewinn, aber keine Sicherheit, den auch tatsächlich zu erzielen. Er wird also in aller Regel entgangene Preisgelder nicht als Schaden geltend machen können. Auch hierzu gibt es jedoch eine Ausnahme, wie der vor etlichen Jahren entschiedene "Rembrand-Fall" belegt. Das weltberühmte Dressurpferd war bei einer Siegerehrung von einem anderen geschlagen worden. Der Eigentümer verlangte Schadensersatz auch in Höhe der bei Turnieren erzielbaren Gewinngelder, an denen das Pferd verletzungsbedingt nicht hat teilnehmen können. Das Gericht sah den Anspruch als begründet an, weil "Rembrand" nachweislich bei jedem vorausgegangen Turnier unter den ersten drei Platzierten zu finden war. Angesichts dieser Erfolgsstatistik meinte das Gericht, hätte sich die bloße Aussicht auf weitere Gewinngelder derart stark verfestigt, dass ein Schadensersatzanspruch gerechtfertigt sei.
Die Wertminderung
Eine zweifelsfrei grundsätzlich erstattungsfähige Schadensposition ist die Wertminderung. Erleidet beispielsweise ein Pferd durch einen auf Fremdverschulden zurückgehenden Unfall eine Verletzung, die nicht folgenlos ausgeheilt werden kann, kann der Pferdeeigentümer Schadensersatz wegen des eingetretenen Minderwertes beanspruchen. Der wird dann regelmäßig der Höhe nach durch einen Sachverständigen festgestellt. Ist z. B. ein Springpferd verletzungsbedingt nicht mehr für den Turniereinsatz geeignet, kann aber noch als Zuchtstute verwendet werden, so kommt die Differenz zwischen dem Wert als Sport- zum Zuchtpferd in Ansatz.
In dem Zusammenhang lässt sich dann doch noch etwas aus entgangenen Nutzungsmöglichkeiten herleiten: Fällt ein Sportpferd für einen längeren Zeitraum aus, so wird dadurch eine Wertminderung begründet. Schließlich verliert es an Wert, wenn es beispielsweise über eine ganze Turniersaison hinweg nicht eingesetzt werden kann. Das sah in einer aktuellen Entscheidung auch das OLG Koblenz so. Dass die Klage letztlich doch keinen Erfolg hatte, lag allein daran, dass der Kläger weder die genaue Zeit der Nichteinsetzbarkeit des verletzten Pferdes angeben noch nachweisen konnte, dass der Ausfall des Pferdes tatsächlich auf das die Verletzung des Pferdes herbeiführende Ereignis zurückzuführen war.
Dr. Dietrich Plewa