Pferdeeinstellungsvertrag
Erschienen am 05.11.2012
Wer muss was beweisen?
Inhaber von Pferdepensionsbetrieben tragen ein großes Haftungsrisiko, zumal sie gegen Schäden am eingestellten Pferd in der Regel nicht versichert sind. Ob sie letztlich Schadensersatz zu leisten haben, hängt ganz wesentlich davon ab, wer was zu beweisen hat.
Die Beweislast
Es ist nicht selten, dass der Prozessausgang von der "Beweislast" abhängig ist. Es gewinnt nicht immer der, der eigentlich Recht hat, sondern derjenige, der etwas beweisen kann. Eher noch gilt umgekehrt die Regel: Ist eine Prozesspartei mit der Beweisführung belastet, verliert sie den Prozess, wenn der notwendige Beweis nicht erbracht werden kann.
Zum Beispiel: Will der Käufer eines Pferdes die Rückabwicklung eines Kaufvertrages durchsetzen, muss er beweisen, dass das Pferd zum Zeitpunkt der Übergabe bereits mangelhaft war. Selbst wenn etwa eine Lahmheit bereits wenige Tage nach Übergabe eingetreten ist, verliert er den Prozess, wenn er nicht beweisen kann, dass die Ursache schon zum Zeitpunkt des Gefahrüberganges vorlag.
Grundsätzlich gilt nämlich die Beweisregel, dass derjenige, der Forderungen stellt, die tatsächlichen Voraussetzungen des von ihm behaupteten Rechtsanspruches darlegen und beweisen muss. Er trägt die "Beweislast" für die für ihn günstigen Umstände. Von dieser Regel gibt es nur wenige Ausnahmen. Eine soll für den Pferdeeinstellungsvertrag gelten, meinte das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG) in einem Urteil v. 04.01.2011.
Der Fall:
Das Pferd der Klägerin des Rechtsstreits hatte sich schwerwiegende Verletzungen zugezogen, weil der Gitterstab einer Boxentrennwand herausgebrochen war und das Pferd zwischen die Gitterstäbe geraten war. Ein in erster Instanz vom Landgericht (LG) eingeschalteter Sachverständiger hatte festgestellt, dass die Gitterstäbe unzureichend mit dem auf der Holzeinfassung der Boxe aufgesetzten Rahmen verschweißt waren. Sie hätten rundum zu 80 % verschweißt sein sollen, waren aber mit dem Rahmen nur zu 40 % verschweißt. Darin sah der Gutachter die Ursache dafür, dass sich ein Stab aus der Verankerung hatte lösen können.
In diesem Fehler, der letztlich vom Boxenhersteller zu vertreten war, sah das LG eine Pflichtverletzung. Der Stallinhaber habe sich wegen des in seinen Verantwortungsbereich entstandenen Schadens nicht entlasten können. In erster Instanz wurde daher der der Klage stattgegeben.
Das OLG
Das OLG sah die Sache anders. Es stellte zunächst klar, dass es sich bei dem Pferdeeinstellungsvertrag um einen entgeltlichen Verwahrungsvertrag handele, der Elemente verschiedener Vertragstypen umfasse. Ein solcher Vertrag bilde ein einheitliches Ganzes und könne nicht bei der rechtlichen Beurteilung in seine verschiedenen Bestandteile zerlegt werden, also etwa einen Miet-, Kauf- oder Dienstvertrag. Der Schwerpunkt des Vertrages liege darin, dass das Pferd gegen Entgelt in Verwahrung gegeben werde. Daraus ergäbe sich für den Stallinhaber die Verpflichtung, dass ihm in Obhut gegebene Pferd ordnungsgemäß, also unverletzt, an den Pferdeeinsteller herauszugeben.
Nach der oben erwähnten Grundregel der Beweislast müsste der Einsteller bei Schadenseintritt sowohl die Pflichtverletzung als auch deren Ursächlichkeit für den eingetretenen Schaden nachweisen. Das OLG meinte jedoch, für den Pferdeeinstellungsvertrag gelte etwas anderes. Die Beweislast richte sich nach dem Verantwortungsbereich. Wenn der Stallinhaber nicht in der Lage sei, das Pferd unverletzt herauszugeben, trete eine Beweislastumkehr ein. Den Beklagten treffe die Beweislast dafür, dass der eingetretene Zustand nicht auf einer ihm zurechenbaren schuldhaften Pflichtverletzung beruhe. Diese Auffassung würde bedeuten, dass der Stallinhaber nachzuweisen hätte, dass
- keine Pflichtverletzung vorliegt oder
- eine mögliche Pflichtverletzung nicht ursächlich für die Verletzung des eingestellten Pferdes geworden ist und
- dass ihn hinsichtlich der Pflichtverletzung kein Verschulden trifft.
Nun ist es eigentlich nicht zweifelhaft, dass die Überlassung einer Boxe, bei der die Gitterstäbe nicht ausreichend befestigt sind, rein objektiv eine Pflichtverletzung darstellt. Die war in dem konkreten Fall auch ursächlich geworden für den eingetretenen Schaden. Dennoch hat das OLG das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Das OLG meinte nämlich, an den vom Stallinhaber zu führenden Beweis dürften keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Der Stallinhaber könne sich entlasten, wenn er die Ursache für den Schaden nachweist und beweisen kann, dass ihn daran kein Verschulden trifft. Letztlich also läuft auch die Auffassung des OLG nicht auf eine wirkliche Beweislastumkehr hinaus. Für das fehlende Verschulden ist nämlich ohnehin der Stallinhaber beweispflichtig. Das ergibt sich aus § 280 BGB.
Die mangelhafte Ausführung der Boxe hatte der Stallinhaber nicht zu vertreten. Er hatte ein renommiertes Fachunternehmen mit der Lieferung der Boxenteile beauftragt. Er durfte davon ausgehen, dass der Boxenhersteller die Gitterstäbe ordnungsgemäß verschweißt hatte. Insoweit traf den Stallinhaber nach Auffassung des OLG keine Überprüfungspflicht. Das dürfte sich eigentlich von selbst verstehen: Der Stallinhaber hätte nämlich schon die unter den Boxengitter befindlichen Holzteile entfernen müssen, um die Schweißnähte überprüfen zu können.
Letztlich scheiterte also die Klage am fehlenden Verschulden des Stallinhabers.
Fazit:
Das Urteil des OLG Oldenburg lädt zu Missverständnissen ein. Es könnte der Eindruck entstehen, als hätte der Stallinhaber grundsätzlich den Nachweis zu führen, dass die festgestellte Verletzung eines Pferdes nicht auf eine in seinem Verantwortungsbereich liegende Pflichtverletzung beruht. Tatsächlich hat er nur sein fehlendes Verschulden nachzuweisen, wenn die Ursache des eingetretenen Schadens feststeht.
Dr. Dietrich Plewa Rechtsanwalt