Tierhalterhaftung - Beteiligung mehrerer Pferde
Erschienen am 01.02.2013
Ein Urteil des Oberlandesgerichts München gibt Veranlassung, sich nochmals mit der Frage zu befassen, ob die Schadensersatzansprüche eines Pferdeeigentümers wegen der Verletzung seines Tieres zu mindern sind, wenn es durch Ausschlagen eines anderen Pferdes verletzt wurde. Grund für die Frage ist die "mitwirkende Tiergefahr".
Das Rechtsproblem
Der Eigentümer eines aus Liebhaberei gehaltenen Pferdes haftet für Schäden, die sein Pferd anrichtet, ohne eigenes Verschulden. Der § 833 BGB, der die Tierhalterhaftung regelt, geht von einer reinen Gefährdungshaftung aus. Die knüpft daran an, dass von jedem Pferd ein gewisses Schadensrisiko ausgeht, weil es sich arttypisch unberechenbar verhalten kann. Dieses Verhalten wie etwa Ausschlagen, Beißen, Durchgehen, bezeichnet man als Realisierung der Tiergefahr.
Schlägt das Pferd ein anderes, hat der Halter des ausschlagenden Pferdes dem geschädigten Pferdehalter Schadensersatz zu leisten. Der Einwand, dass doch der Tierhalter gar nichts dafür könne, wenn sein Pferd ausgeschlagen habe, zählt hier nicht. Die Haftung des Tierhalters setzt nämlich ein Verschulden nicht voraus.
Die mitwirkende Tiergefahr
Nun geht natürlich von dem verletzten Pferd grundsätzlich auch eine Tiergefahr aus. Das hat Juristen auf die Idee gebracht, immer dann, wenn an einem Schadensereignis zwei Pferde beteiligt sind, die Schadensersatzpflicht zu reduzieren. Die meisten Pferdehalter haben -erfreulicherweise - eine Tierhalterhaftpflichtversicherung. Die Versicherungsgesellschaften sind seit langem dazu übergegangen, generell die vom verletzten Pferd ausgehende Tiergefahr mit 50 % zu veranschlagen und daher die Schadensersatzansprüche des Halters des verletzten Pferdes auch nur zur Hälfte zu regulieren.
Die juristische Grundlage dafür ist die entsprechende Anwendung des § 254 BGB, der das Mitverschulden des Geschädigten regelt. Nun kann ja bei der Tiergefahr von einem Verschulden gar keine Rede sein. Dennoch wenden auch die Gerichte nahezu einheitlich den Rechtsgedanken des § 254 BGB mit der Folge an, dass die Schadensersatzansprüche gequotelt werden.
Dem ist entgegen zu halten, dass oftmals das verletzte Pferd sich völlig passiv verhalten hat, also außer seiner Anwesenheit überhaupt keinen "Beitrag" zu der. Entstehung des Schadens geleistet hat. Es erscheint deswegen auch nur vernünftig, in einem solchen Fall die Schadensersatzansprüche des geschädigten Pferdehalters nicht zu kürzen.
Das OLG München sah dies anders. Es hatte die Klage eines Hundehalters zu beurteilen, dessen Hündin von einem deutlich größeren Rüden angegriffen und verletzt worden war. Die Hündin des Klägers hatte sich dabei völlig passiv verhalten. Dennoch wurden die Schadensersatzansprüche vom OLG nur zu 70 5 für begründet erachtet. Die mitwirkende Tiergefahr der Hündin sei unter Anwendung des Rechtsgedankens von § 254 BGB zu berücksichtigen. Dabei werde nicht verkannt, dass sich die Hündin bei dem Vorfall passiv verhalten und der Hund des Beklagten sich unvermittelt auf sie gestürzt habe. Dies ändere aber nichts daran, dass das verletzte Tier eine Hündin sei und deshalb davon auszugehen sei, dass sich der Hund des Beklagten gerade deshalb für die Hündin interessiert habe. Allein die Größe des angreifenden Hundes und die Tatsache, dass er den "aktiven Part" innehatte, führte nach Auffassung des OLG zu einer Schadensquotelung von 30 : 70 zu Lasten des Beklagten.
Kritik/Fazit
Die Entscheidung wird den Tierhalterhaftpflichtversicherern Wasser auf die Mühle geben. Sie werden aus dem Urteil den Schluss ziehen, dass die reine Anwesenheit des verletzten Tieres ausreicht, um eine mitwirkende Tiergefahr zu berücksichtigen. Dieser Schluss dürfte schon aus der Entscheidung des OLG München nicht zu ziehen sein, zumal darin ja der Geschlechtsunterschied als auslösender Faktor angesehen wurde. Mir scheint aber, dass das allein nicht ausreichen darf. Beim Mitverschulden nämlich, muss der Schädiger die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Eigenverschulden des Geschädigten darlegen und nachweisen. Wenn man schon den Rechtsgedanken des § 254 BGB auf die reine Gefährdungshaftung überträgt, so wäre es dann zumindest Sache des Halters des ausschlagenden Pferdes, vorzutragen und auch nachzuweisen, dass sich die von dem verletzten Pferd abstrakt ausgehende Tiergefahr in dem Schadensereignis ausgewirkt hat. (Dr. Dietrich Plewa Rechtsanwalt)