Rechtsstreit: Kaufuntersuchung
Erschienen am 07.05.2013
Muss ein blinder Wolfszahn entdeckt werden?
Wie weit gehen eigentlich die Untersuchungspflichten des Tierarztes im Rahmen der tierärztlichen Kaufuntersuchung? Hierzu gehen die Vorstellungen von Käufern und Tierärzten oftmals weit auseinander, wie ein vom Landgericht Rottweil entschiedener Prozess zeigt.
Der Streitfall
Der Kläger hatte ein Pferd nach tierärztlicher Untersuchung gekauft. Er hatte es dann rund zwei Jahre später für einen höheren Kaufpreis weiter veräußern können. Angeblich aber war der Verkauf gescheitert, weil das Pferd zwei Befunde aufwies, die nach Auffassung des Klägers der untersuchende Tierarzt schon bei der Kaufuntersuchung hätte erkennen müssen, nämlich
- einen blinden Wolfszahn und
- ein Sarkoid.
Rund 2 1/2 Jahre nach der Untersuchung verklagte er den Tierarzt. Der berief sich zunächst auf Verjährung, weil in seinem schriftlichen Vertragsformular die Verjährungsfrist mit einem Jahr vorgesehen war. Außerdem vertrat er den Standpunkt, dass die Hautveränderung nicht vorhanden gewesen sei und der blinde Wolfszahn von ihm nicht hatte erkannt werden müssen.
Die Verjährungsfrage
Die sehr umfangreiche Rechtsprechung zur tierärztlichen Kaufuntersuchung geht einheitlich davon aus, dass der Vertrag zwischen Auftraggeber und Tierarzt als Werkvertrag zu qualifizieren ist. Ansprüche wegen einer tierärztlichen Pflichtverletzung verjährbn nach dem Gesetz in drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt allerdings erst, wenn der Käufer erfährt, dass der Tierarzt eine Pflichtverletzung begangen, also beispielsweise einen erheblichen Befund übersehen hat. Die Verjährungsfrist beginnt auch dann, wenn der Käufer grob fahrlässig die mögliche Pflichtverletzung nicht zur Kenntnis nimmt, weil er beispielsweise ganz bewusst "die Augen davor verschließt".
Abweichend von der gesetzlichen Regelung kann die Verjährungsfrist durchaus verkürzt werden. Von dieser -Möglichkeit ist in den allgemein gebräuchlichen Kaufuntersuchungsformularen auch Gebrauch gemacht worden. Allerdings verbleibt es bei dem Beginn der Verjährungsfrist, die auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Käufers abstimmt. Der Inhalt des Vertragsformulars nützt dem Tierarzt aber nichts, wenn er sich den Auftrag nicht unterzeichnen lässt, weil dann die von ihm verwendeten Vertragsbedingungen gar nicht Vertragsinhalt werden. Zumindest müsste mündlich eine entsprechende Vereinbarung - beweisbar - getroffen werden.
In dem vom Landgericht Rottweil entschiedenen Fall war innerhalb von drei Jahren Klage erhoben worden, so dass die gesetzliche Verjährungsfrist eingehalten war. Die im Formularvertrag enthaltene Verkürzung war nicht von Bedeutung, weil dessen Inhalt nicht Vertragsgegenstand geworden war.
Die Pflichtverletzung
Recht unproblematisch war die Frage zu beantworten, ob der Tierarzt haftete wegen des Übersehens eines Sarkoids. Den Nachweis, dass dieser Befund zum Zeitpunkt der Untersuchung schon vorhanden war, konnte wegen des zeitlichen Abstandes der Kläger nahezu zwangsläufig nicht führen. Hierzu hätte es dann schon der Vorlage von Fotos oder ähnlichen Beweismitteln bedurft.
Näherer Betrachtung bedurfte dagegen schon der Vorwurf, ein blinder Wolfszahn sei fälschlich nicht erkannt worden. Der vom Gericht eingeschaltete Sachverständige ging davon aus, dass der Wolfszahn zum Zeitpunkt der Untersuchung bereits vorhanden war. In dem schriftlichen Untersuchungsformular hieß es unter dem Stichwort "Adspektion der Maulhöhle": Ohne besonderen Befund, geringgradiger Überbiss. Der Tierarzt verteidigte sich damit, dass er die Maulhöhle, insbesondere die Kieferäste nicht abzutasten habe. Bei "Adspektion" sei ein blinder Wolfszahn, wie dies schon der Name sage, nicht zu erkennen. Dem folgte das Landgericht. Schon nach dem Wortsinn handele es sich bei einer Adspektion um eine Besichtigung und gerade nicht um ein Abtasten der Maulhöhle. Dies wäre die nach dem Vertragsformular nicht geschuldete "Palpation". Es spielte deswegen aus der Sicht des Landgerichts keine Rolle, dass bei einem Abtasten der blinde Wolfszahn hätte bemerkt werden können. Die Klage hatte letztlich keinen Erfolg. Das sah im Berufungsrechtszug das OLG Stuttgart genauso.
Umfang der Schadensersatzpflicht
In dem Prozess hatte der Kläger entgangenen Gewinn geltend gemacht als Schaden, weil der Weiterverkauf gescheitert war. Das Landgericht wies darauf hin, dass diese Schadensposition ohnehin nicht zu erstatten gewesen wäre. Wenn man nämlich annimmt, dass der Tierarzt irgendeinen Befund erwähnt hätte, den er tatsächlich nicht erkannt hat, wäre es gar nicht zum Kauf des Pferdes gekommen, damit auch nicht zu einem möglichen Weiterverkauf mit Gewinn.
Dr. Dietrich Plewa/Schliecker Rechtsanwälte