Tierärzte neben Pferdeverkäufern in der Haftung

Erschienen am 07.08.2013

Die Pferdetierärzte haben sich zu früh gefreut: In letzter Zeit hatten einige Gerichte, zuletzt auch ein Oberlandesgericht, die Ansicht vertreten, dass der Käufer eines Pferdes grundsätzlich verpflichtet ist, zunächst einmal den Verkäufer in Anspruch zu nehmen, wenn das Pferd einen gesundheitlichen Mangel aufweist. In gleich zwei aktuellen Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof die Rechtsfrage anders beurteilt.

Die Ausgangslage
Der Verkäufer eines Pferdes haftet nach § 434 BGB dann, wenn das Pferd einen "Sachmangel" aufweist. Darunter fallen besonders häufig gesundheitliche Beeinträchtigungen, etwa erhebliche Röntgenbefunde. Wird ein solcher Mangel entdeckt, kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten, sofern der Mangel bei Gefahrübergang, in aller Regel also der Übergabe des Pferdes, bereits vorlag.

Wurde eine Kaufuntersuchung durchgeführt, bei welcher der Tierarzt den Mangel übersehen hat, sind die rechtlichen Voraussetzungen auch für einen Schadensersatzanspruch gegenüber dem untersuchenden Tierarzt erfüllt. Er hat nämlich die Pflicht, ein richtiges Untersuchungsergebnis mitzuteilen, zumindest fahrlässig verletzt. Der Schadensersatzanspruch gegen den Tierarzt ist darauf gerichtet, den Käufer so zu stellen, als hätte der Tierarzt die Pflichtverletzung nicht begangen. Meistens wird man davon ausgehen können, dass der Käufer bei ordnungsgemäßer Aufklärung über den Mangel von dem Kauf Abstand genommen hätte. Die Rechtsfolge, d. h. der Schadensersatzanspruch, geht dahin, den Käufer von den Folgen des für ihn nachteiligen Geschäfts freizustellen. Der Tierarzt hätte den Kaufpreis zu erstatten, die dem Käufer entstandenen Unkosten, kann dann aber die Herausgabe und Übereignung des Pferdes an sich beanspruchen.

Das bedeutet: Der Anspruch gegen den Tierarzt führt letztlich (von kleinen, hier nicht zu erörternden Unterschieden abgesehen) zu demselben Ergebnis wie ein erfolgreicher Rücktritt gegenüber dem Verkäufer.

Das OLG Schleswig hatte die Auffassung vertreten, vorrangig müsse der Verkäufer in Anspruch genommen werden. Wenn nämlich dem gegenüber ein Sachmangelanspruch gegeben sei, hafte der Tierarzt nur nachrangig. Gegenüber dem Tierarzt sei der Käufer verpflichtet, den ihm entstandenen Schaden zu mindern.

Das Machtwort des BGH
Dieser Argumentation folgte der BGH nicht. Er ist der Auffassung, dass in dem geschilderten Fall der Käufer den Verkäufer und/oder den Tierarzt in Anspruch nehmen kann. Er bekommt zwar die geschuldete Leistung, insbesondere den Kaufpreis, nur einmal zurück, kann aber auswählen, ob er diesen Anspruch gegenüber dem Verkäufer oder dem Tierarzt oder gar beiden gegenüber geltend macht. Nach Auffassung des BGH nämlich haften Verkäufer und Tierarzt als so genannte Gesamtschuldner.

Die Begründung
Der BGH meint die Verpflichtungen des Verkäufers auf Rückabwicklung des Kaufvertrages und des Tierarztes auf Ersatz des dem Käufer in Folge des Abschlusses des Kaufvertrages entstandenen Vermögensschadens stünden gleichstufig nebeneinander. Entscheidend sei, dass die Ansprüche gegenüber Verkäufer und Tierarzt letztlich wirtschaftlich auf dasselbe hinausliefen. Dass der Verkäufer für Sachmängel auch ohne Kenntnis und eigenes Verschulden haftet, der Tierarzt dagegen nur bei einer zumindest fahrlässigen Pflichtverletzung, macht nach Auffassung des BGH keinen Unterschied. Beide, Verkäufer wie Tierarzt, hätten für die Beseitigung des gleichartigen, dem Käufer entstandenen Vermögensnachteils einzustehen.

Fazit
Das Ergebnis der vom BGH in letzter Instanz entschiedenen Rechtsstreitigkeiten lässt sich in dem Leitsatz des höchsten deutschen Zivilgerichtes zusammenfassen:

Haftet der wegen eines Fehlers bei der Ankaufsuntersuchung eines Pferdes zum Schadensersatz verpflichtete Tierarzt neben dem Verkäufer als Gesamtschuldner, trifft den Käufer grundsätzlich nicht die Obliegenheit, zur Schadensminderung zunächst seine Ansprüche gegen den Verkäufer gerichtlich geltend zu machen.

Dr. Dietrich Plewa

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