Nutzungsausfall für ein verletztes Reitpferd?
Erschienen am 06.08.2014
Wird ein Reitpferd verletzt, beispielsweise durch einen Verkehrsunfall, stellt sich stets die Frage, was vom Schädiger zu ersetzen ist. Ein Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart hat nochmals klargestellt: Eine Nutzungsentschädigung, vergleichbar zum unfallbedingten Ausfall eines PKw's, gibt es beim Reitpferd nicht!
Die Schadenspositionen
Gegenstand des vom Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) im Berufungsverfahren entschiedenen Rechtsstreits war der Schadensersatzanspruch einer Pferdeeigentümerin, deren Pferd bei einem Verkehrsunfall schwerwiegende Verletzungen erlitten kette Das Pferd musste tierärztlich behandelt werden, weshalb die Klägerin die aufgewendeten Tierarztkosten ersetzt verlangte. Darüber hinaus beanspruchte sie eine Wertminderung, weil die Verletzungen zu einer dauerhaften Beeinträchtigung bei dem Pferd geführt hatten, die nicht zu beheben war.
Außerdem verlangte sie für die Dauer, in der das Pferd gar nicht geritten werden konnte, Ersatz der Unterstellungskosten.
Die Frage der Erstattungsfähigkeit
Unzweifelhaft sind vom Schädiger zu erstatten insbesondere Kosten, die deswegen entstehen, weil das Pferd wegen der unfallbedingten Verletzungen behandelt werden muss. Zwar trifft generell jeden Geschädigten eine Schadensminderungspflicht. Dies bedeutet aber lediglich, dass er solche Kosten nicht erstattet bekommt, die vermeidbar gewesen wären. Das könnte beispielsweise dann der Fall sein, wenn das Pferd in einer weit entfernt liegenden Tierklinik stationär behandelt wird, obwohl die Untersuchungen und die Therapie auch im Stall durch einen in der Nähe praktizierenden Tierarzt hätten in gleicher Weise durchgeführt werden können. Nicht zu den erstattungsfähigen Tierarztkosten gehören Aufwendungen für Impfungen und Wurmkuren, die auch ohne das Schadensereignis angefallen wären. Das hat so auch das OLG klargestellt.
Entsprechendes gilt für die Kosten, die durch Inanspruchnahme eines Hufschmiedes anfallen. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn in der Folge der Unfallverletzung ein Spezialbeschlag erforderlich würde. Dann wäre der Mehraufwand vom Schädiger zu erstatten.
Auszugleichen ist durch den Schädiger auch eine Wertminderung. In dem vom OLG entschiedenen Fall hatte ein Sachverständiger den Wert des Pferdes vor dem Unfall mit 7.500 Euro ermittelt und festgestellt, dass es nach dem Unfall nur noch als Beistellpferd verwendet werden konnte und daher einen Verkehrswert von 500 Euro habe. Der Gutachter hatte den Restwert mit 500 Euro ermittelt, woran sich das OLG orientiert hat. Ob für ein Beistellpferd ein solcher Betrag überhaupt zu realisieren ist, erscheint aber eher fraglich.
Der Knackpunkt
Der wesentliche Streitpunkt des Rechtsstreits waren die Unterhaltungskosten. Die hatte die Klägerin für 18 Monate geltend gemacht, nämlich den Zeitraum vom Unfall bis zu dem Zeitpunkt, in welchem feststand, dass das Pferd für Reitzwecke definitiv nicht mehr nutzbar war.
Das OLG hat die Unterstellkosten für nicht erstattungsfähig erachtet und liegt mit dieser Entscheidung auf derselben Linie wie die bisher einheitliche Rechtsprechung.
Dem liegt folgende Erwägung zugrunde:
Im Schadensrecht wird die sogenannte Differenzmethode herangezogen. Dies bedeutet: Es wird gegenüber gestellt, welche Aufwendungen die Geschädigte ohne das Unfallereignis hätte und im Vergleich dazu die, die nach dem Unfall entstanden sind. Danach — so das OLG — fehle es bereits an einem Schaden. Denn die verlangten Kosten seien nicht unfallbedingt entstanden, vielmehr sei die Klägerin bereits vor dem Unfallereignis mit diesen Kosten belastet gewesen. Schließlich hätte sie die Unterstellkosten auch ohne den Unfall zu tragen gehabt.
Die Klägerin des Rechtsstreits hatte demgegenüber argumentiert, sie sei grundsätzlich bereit gewesen, das nicht mehr reitbare Pferd zu veräußern, habe aber aus Tierschutzgesichtspunkten nicht in Erwägung gezogen, das Pferd schlachten oder einschläfern zu lassen. Das Argument hielt das OLG nicht für durchschlagend. Der Umstand, dass nach der tierärztlichen Feststellung, dass das Pferd nicht mehr reitbar sei, weitere Kosten angefallen seien, beruhe auf einer eigenen Willensentschließung der Klägerin. Objektiv sei das Pferd nämlich — insoweit stützte sich das OLG auf die Meinung des Sachverständigen — nicht verwertbar gewesen. Ein Einsatz als Zuchtstute sei in Anbetracht des Alters nicht in Betracht gekommen, die Unreitbarkeit sei tierärztlich festgestellt worden. Die Möglichkeiten, das Pferd zu veräußern, seien daher sehr gering gewesen. Daher beruhten die nach dem Unfall entstandenen Kosten maßgeblich darauf, dass sich die Klägerin dazu entschlossen habe, das Pferd auch im Falle der Unverkäuflichkeit zu behalten.
Entgangene Nutzungsvorteile
Das OLG hat schließlich noch bestätigt, dass der "Verlust der Gebrauchsmöglichkeit" nicht auszugleichen ist. Dazu das OLG: "Für ein Pferd, welches in der Freizeit zum Reitsport dient und für die Lebenshaltung nicht von zentraler kommerzieller Bedeutung ist, muss der Verlust der Nutzungsmöglichkeit entschädigungslos hingenommen werden".
Dr. Dietrich Plewa Rechtsanwalt