Tierhalterhaftung:
Erschienen am 07.10.2014
Welches Pferd hat den Schaden verursacht?
Im Gesetz heißt es, dass der Halter eines Pferdes für den von seinem Tier verursachten Schaden haftet. Wenn Pferde verschiedener Halter auf einer Weide gehalten werden, ist oftmals nicht zu klären, welches Pferd durch Ausschlagen eine Verletzung eines Artgenossen herbeigeführt hat. Mit den sich daraus ergebenden Beweisschwierigkeiten könnte es ein Ende haben, wenn man ein in diesem Beitrag beleuchtetes Urteil des Oberlandesgerichts München zugrunde legt.
Der Fall
Der vom Oberlandesgericht München in 2. Instanz entschiedene Prozess hatte zwar nichts mit Pferden, sondern mit Schafen zu tun. Die gesetzlichen Regelungen sind jedoch nicht anders. Für Tiere generell gilt, dass der Halter den von dem Tier verursachten Schaden zu ersetzen hat.
In dem vom OLG zu beurteilten Sachverhalt war es schwierig festzustellen, welcher Halter in Anspruch zu nehmen war. In einem Pferch des Beklagten befanden sich 8 Schafe, von welchen 6 dem Beklagten, 2 einem Dritten gehörten. Diese beiden waren ebenso schwarz wie eines des Beklagten. Ein schwarzes Schaf hatte eine Person angegriffen und erheblich verletzt. Gegenstand der Klage waren daran anknüpfende Schadensersatzansprüche. Der Beklagte verteidigte sich mit dem Argument, es stehe nicht fest, dass ausgerechnet eines seiner schwarzen Schafe die Verletzung verursacht habe. Tatsächlich konnte nicht aufgeklärt werden, ob nun ein Schaf des Beklagten oder aber des Dritten den Schaden herbeigeführt hatte.
Die Beweisschwierigkeiten
Grundsätzlich sind Schadensersatzansprüche gegenüber dem Halter des Pferdes geltend zu machen, das den Schaden verursacht hat. In mehreren Rechtsstreitigkeiten sind Schadensersatzforderungen letztlich daran gescheitert, dass es dem Kläger nicht gelungen ist, den definitiven Beweis dafür zu führen, dass von mehreren auf einer Weide zusammengehaltenen Pferden verschiedener Eigentümer ein ganz bestimmtes den Schaden verursacht hatte. Die Gerichte fordern üblicherweise einen exakten Beweis dafür, dass der Beklagte Halter des ausschlagenden Pferdes ist. Die Beweisschwierigkeiten liegen auf der Hand, sind oftmals einfach nicht zu überwinden, weil es gerade bei Weideunfällen selten Zeugen gibt. In einem vom Landgericht Stuttgart (LG) entschiedenen Fall hatte die Klage allein deshalb Erfolg, weil nur eines von mehreren Pferden an den Hinterhufen beschlagen war und eindeutig festgestellt werden konnte, dass die Verletzungen bei dem geschädigten Pferd auf Huftritte mit einem beschlagenen Huf zurückzuführen waren.
Das OLG
In dem eingangs geschilderten Fall hatte schon das Landgericht den beklagten Halter des "schwarzen Schafes" verurteilt. Es stand nach einer Beweisaufnahme lediglich fest, dass die Verletzungen von einem der drei schwarzen Schafe verursacht worden waren, das verursachende Schaf konnte aber nicht identifiziert werden. Deswegen war letztlich auch nicht aufzuklären, ob nun der Beklagte Halter war oder nicht. Das LG wie das OLG hielten diesen Beweis für nicht erforderlich. In § 830 wäre tatsächlich der Verursachungsbeitrag eines einzelnen Schafes dann nicht zu beweisen, wenn mehrere Schafe zusammen die verletzte Person angegriffen hätten. In einem solchen Fall kommt es nach dem Gesetz nicht darauf an, welches Schaf welche konkreten Verletzungen verursacht hat, es reicht der gemeinsame Angriff der Tiere.
Diesen Grundgedanken des § 830 BGB wendete das OLG auch auf den von ihm zu entscheidenden Fall an. Der Gesetzgeber habe mit der Regelung des § 830 BGB den Geschädigten von der Schwierigkeit befreien wollen, den Beweis zu führen, welches von mehreren Tieren unterschiedlicher Halter den Schaden verursacht habe. Es erscheine gerechter, jedem Tierhalter zuzumuten, im Einzelfall den Entlastungsbeweis zu führen. Dabei stützt sich das OLG auf ein Urteil des BGH aus dem Jahr 1971, in welchem es heißt:
Auch in den Fällen der Tierhalterhaftung ist es gerechter, alle haften zu lassen, die sich an der gemeinsamen Gefährdung in einer ihrer Haftung begründenden Weise beteiligt haben, als den Geschädigten leer ausgehen zu lassen.
Fazit
Die Entscheidung des OLG München könnte Richtung weisend sein für künftige Entscheidungen bei Weideunfällen. Sie ist geeignet, erhebliche Beweisschwierigkeiten für den Eigentümer eines verletzten Pferdes zu beseitigen. Ob diese Entscheidung des OLG allerdings wirklich aus der älteren BGH-Entscheidung abgeleitet werden kann, erscheint eher fraglich. Unmittelbar auf den Wortlaut des Gesetzes, nämlich den von § 830 BGB, ist die Auffassung des OLG München ohnehin nicht zu stützen, allenfalls im Wege der Auslegung auf den daraus abzuleitenden Gerechtigkeitsgedanken. In der Fachliteratur hat das Urteil des OLG München bereits- fundierten Widerspruch gefunden. Ob es daher letztlich Weg weisenden Charakter haben kann, erscheint eher fraglich.
Dr: Plewa / Dr. Schliecker
Rechtsanwälte