Tierarzthaftung
Erschienen am 20.12.2014
Sind Lahmheitsuntersuchungen riskant?
Die Ursache von Lahmheiten zu finden, ist für Tierärzte oftmals eine schwierige Aufgabe, auch für sehr erfahrene. Es werden verschiedene Untersuchungsmethoden angewandt, nicht zuletzt diagnostische Anästhesien. Etliche Beispielsfälle zeigen, dass deren Ausführung mit einem nicht unerheblichen Risiko verbunden ist.
Ein Beispielsfall
Der Kläger eines vor Landgericht München (LG) entschiedenen Rechtsstreites hatte einen Tierarzt beauftragt, sein Pferd wegen einer zwei bis vier Tage bereits bestehenden Lahmheit zu untersuchen. Die Lahmheit wurde von dem Tierarzt bestätigt. Der führte dann eine Leitungsanästhesie durch. Dabei wird lokal in der Gliedmaße, wo die Lahmheitsursache vermutet wird, das Schmerzempfinden ausgeschaltet. Wenn die Lahmheit nach einer in der Fesselbeuge gesetzten diagnostischen Anästhesie nicht verschwindet, wird an einer höheren Stelle, z.B. im Bereich des Fesselkopfes anästhesiert. In dem konkreten Fall war das Pferd nach der Leitungsanästhesie zunächst im Schritt und Trab geführt, dann longiert worden. Beim Longieren zog es sich eine Fesselbeintrümmerfraktur zu und musste eingeschläfert werden.
Unvermeidbares Risiko?
Wie wir aus anwaltlicher Praxis wissen, ist es bei Lahmheitsuntersuchungen nach einer Leitungsanästhesie schon öfter zu vergleichbaren Schäden gekommen. Im Verhältnis zur Anzahl der Lahmheitsuntersuchungen mögen die selten sein. Offenbar handelt es sich aber um ein typisches Risiko. Insbesondere scheint das Risiko sehr schwer wiegender Verletzungen sehr hoch zu sein, weil die von uns behandelten Fälle jeweils mit einer Fesselbeintrümmerfraktur bzw. der Einschläferung des Pferdes endeten.
So hat auch in dem Verfahren beim LG München der vom Gericht beauftragte Sachverständige das Risiko, dass sich das Pferd beim Longieren nach Leitungsanästhesie eine schwer wiegende Verletzung zuzieht, als sehr hoch eingeschätzt. Er hat es deswegen für zwingend erforderlich gehalten, das Pferd in jedem Fall vorher zu röntgen, um den Verdacht einer Fissur oder bereits bestehenden Fraktur auszuschließen.
Weiterhin hielt er es für geboten, den Auftraggeber auf das Risiko hinzuweisen, das mit dem Longieren eines an einer Gliedmaße anästhesierten Pferdes verbunden ist und auch darauf, dass bei einem Zwischenfall möglicherweise das Pferd so schwer wiegend verletzt ist, dass es nicht gerettet werden kann.
Ergebnis
Vom LG München wurde der Tierarzt zur Schadensersatzleistung verurteilt. Das Gericht sah im Longieren ohne vorheriges Röntgen eine Pflichtverletzung, außerdem darin, dass der Auftraggeber nicht hinreichend über die Risiken aufgeklärt worden sei.
Dr. Plewa / Dr. Schliecker Fachanwälte