Das sagen die Gerichte: Pferd contra LKW
Erschienen am 26.02.2015
Leider kommt es im Straßenverkehr häufiger zu Unfällen mit Beteiligung von Pferden. Es stellt sich dann stets die Frage, welche Sorgfaltpflichten Kraftfahrer gegenüber Pferden einzuhalten haben und mit welchem Anteil sich letztlich die vom Pferd ausgehende Tiergefahr auswirkt.
Der Seitenabstand
Die Straßenverkehrsordnung (StVO) beinhaltet zunächst einmal die allgemeine Verpflichtung für jeden Verkehrsteilnehmer, sich so zu verhalten, dass kein anderer gefährdet oder gar geschädigt wird. Diese allgemein gehaltene Bestimmung ist natürlich nicht geeignet Sorgfaltsmaßstäbe für konkrete Situationen vorzugeben. Ein ganz wesentliches Gebot enthält insoweit § 5 StVO. Geregelt ist darin die Verpflichtung, beim Überholen einen hinreichenden Seitenabstand einzuhalten.
Die Größe des Seitenabstandes ist nicht generell geregelt. Vielmehr richtet sie sich nach der Fahrzeugart des Überholers, der Fahrtgeschwindigkeit, den Fahrbahnverhältnissen, dem Wetter und nach den Eigenarten des Überholten. Insbesondere soll der Seitenabstand zum überholten Verkehrsteilnehmer und zum Gegenverkehr so groß sein, dass Schreckreaktionen anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen werden. Es gilt die Faustregel, dass beim Überholen ein Seitenabstand von 1 m ausreicht.
Erfreulicherweise haben aber inzwischen mehrere Gerichte, so auch das Brandenburgische OLG in einem Urteil vom 07.04.2011, ausdrücklich hervorgehoben, dass beim Überholen von Reitern mit Pferden besondere Vorsicht einzuhalten ist. Es sei immer mit einer plötzlichen Reaktion des Tieres zu rechnen. Dieses Gebot scheint vielen Verkehrsteilnehmern, nicht zuletzt LKW-Fahrern, nicht bekannt zu sein. Man erlebt es nämlich immer wieder, dass in deutlich geringerem Abstand Pferde überholt werden oder dass auch an Stellen überholt wird, in denen ein ausreichender Seitenabstand wegen der Enge der Straße gar nicht einzuhalten ist. In einem solchen Fall muss der Verkehrsteilnehmer auf das Überholen verzichten, wenn nicht der Reiter die Situation erkennt und rücksichtsvoll genug ist, an geeigneter Stelle das Überholen zu ermöglichen. Das OLG hat einen Seitenabstand beim Überholen von Radfahrern und Pferden von mindestens 1,5 bis 2 m gefordert. Wird dieser Abstand eingehalten, trifft jedenfalls den Kraftfahrer kein Verschulden, es sei denn, er würde schon bei der Annäherung an das Pferd erkennen, dass dieses besonders ängstlich reagiert. Eigentlich sollte das natürlich nicht passieren, weil grundsätzlich im Straßenverkehr nur Tiere zugelassen sind, die hierfür geeignet, also verkehrssicher sind und zudem von Personen geführt bzw. geritten werden, die ausreichend auf die Pferde einwirken können, § 28 StVO.
Die Tiergefahr
Auch wenn der Kraftfahrer einen ausreichenden Seitenabstand einhält, kommt es gelegentlich zu Kollisionen, weil nämlich das Pferd ausweicht oder sich mit der Hinterhand in die Fahrbahn des Fahrzeuges bewegt. So lag der Fall in dem vom Brandenburgischen OLG entschiedenen Rechtsstreit. Ein Pony wurde von einem LKW mit Anhänger überholt. Der Anhänger hatte einen seitlichen Abstand von etwa 1,8 m, was vom OLG für ausreichend erachtet wurde. Die Geschwindigkeit des Lastzuges betrug etwa 30 km/h. Das OLG ging davon aus, dass das Pony gescheut und sich dabei in die Fahrlinie des LKW hineingedreht hatte, so dass es dann zwischen LKW und Hänger geraten war. Hierin erkannte das OLG eine Auswirkung der von dem Pony ausgehenden Tiergefahr.
Die Quotelung
Da den LKW-Fahrer kein Verschulden traf, hatte auch er sich lediglich die von dem Fahrzeug ausgehende so genannte Betriebsgefahr anrechnen zu lassen. Auf der anderen Seite war die dem Pony eigene Tiergefahr zu berücksichtigen. Insoweit hat dann nach den Maßstäben des jeweiligen Verursachungsbeitrages eine Abwägung zu erfolgen. In dem konkreten Fall hatte das OLG dem Halter des Ponys lediglich ein Drittel des ihm entstandenen Schadens zuerkannt. Es ging davon aus, dass auf die Betriebsgefahr des LKW-Anhängers ein Drittel, wegen des Verhaltens des Ponys auf die Tiergefahr zwei Drittel entfalle. Im Ergebnis hatte die Klage daher nur in Höhe von einem Drittel des geltend gemachten Schadens Erfolg.
Fazit
Es ist erfreulich, dass die Gerichte gegenüber Reitern/Pferden eine erhöhte Sorgfalt fordern. Andererseits zeigt das erwähnte Urteil, dass im Straßenverkehr nur wirklich verkehrssichere Pferde geritten werden dürfen. Wenn ein ansonsten an Verkehr gewöhntes Pferd sich ausnahmsweise den Reiterhilfen entzieht und dadurch zum Unfall beiträgt, wird in der Regel der weit überwiegende Schaden vom Halter des Pferdes zu tragen sein.
Dr. Dietrich Plewa - Rechtsanwalt