Pferdekauf: Zugesicherter Ausbildungsstand setzt Reitbarkeit voraus

Erschienen am 01.06.2015

Viele Formular-Kaufverträge enthalten einen Gewährleistungsausschluss. Dieser Beitrag befasst sich mit der Frage, ob eine solche Vereinbarung auch dann greift, wenn eine bestimmte Verwendung des Pferdes und dessen Ausbildungsstand Vertragsinhalt geworden sind.

Der Fall

Einen geradezu typischen Pferdekauf-Fall hatte das Landgericht Tübingen (LG) zu beurteilen.
Über das Internet war ein Pferd unter Hinweis auf den Ausbildungsstand "L-fertig" angeboten worden. Es kam zum Kauf des Pferdes. In dem schriftlichen Formular-Kaufvertrag wurde aufgenommen, dass das Pferd als Reitpferd verkauft wird. Es hieß dann aber: "Das Pferd wird gekauft wie besichtigt und zur Probe geritten, der Verkäufer übernimmt keine Gewährleistung und Haftung. Der Verkäufer übernimmt auch keine Garantie oder sonstige Gewähr für eine bestimmte Beschaffenheit oder Verwendungsmöglichkeit des Pferdes".

Nach Übergabe erwies sich das Pferd als sehr unrittig. Die tierärztliche Untersuchung ergab eine hochgradige Schmerzhaftigkeit im Bereich der Sattellage. Das Gericht schaltete einen Sachverständigen ein. Der bestätigte einen massiven, chronischen und hoch schmerzhaften Befund an der Brust- und Lendenwirbelsäule. Er beschrieb eng aneinander stehende Dornfortsätze. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass das Pferd nicht dem Ausbildungsstand der Klasse L entsprach, weil es auf Grund der chronischen Rückenschmerzen massive Rittigkeitsprobleme zeigte.

Die veterinärmedizinisch-rechtliche Seite

Seit dem so genannten Kissing-Spines-Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) aus dem Jahr 2007 findet sich in vielen Urteilen und anwaltlichen Schriftsätzen die meist pauschal formulierte Ansicht, Röntgenbefunde im Sinne von Kissing-Spines, also engstehende Dornfortsätze, seien generell kein Sachmangel. Bei näherer Betrachtung ist dieser Standpunkt nicht haltbar. Schon der BGH hat darauf hingewiesen, dass geringfügige Abweichungen von der physiologischen Norm nur dann keinen Mangel darstellen, wenn
- die Röntgenbefunde keine klinische Bedeutung haben und
- bei vergleichbaren Pferden üblich sind.

In dem vom LG Tübingen behandelten Fall hatten die - allerdings auch sehr massiv ausgeprägten - Röntgenveränderungen sehr wohl klinische Relevanz. Schließlich hatte das Pferd eine chronische Schmerzhaftigkeit im Rücken, welche sich negativ auf die Reitbarkeit auswirkte. Hier bestätigte die Ausnahme die Regel: Unter bestimmten Voraussetzungen können Röntgenbefunde sehr wohl als Mangel im rechtlichen Sinne angesehen werden.

Die zentrale Frage

Entscheidend für den Rechtsstreit war die Frage, ob der Käufer schon deswegen nicht wirksam vom Vertrag zurücktreten konnte, weil der Formularvertrag Haftungsausschlussklauseln enthielt. Das wurde vom LG - zutreffend - verneint. Die Parteien seien sich nämlich darüber einig gewesen, dass das Pferd als Reitpferd verkauft werden sollte. Das hatte in dem schriftlichen Kaufvertrag auch Niederschlag gefunden. Außerdem war aus der Internetanzeige abzuleiten, dass das gekaufte Pferd dem Ausbildungsstand der Klasse L zu entsprechen habe. Darin sah das Gericht eine Beschaffenheitsvereinbarung. Nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB ist ein Pferd dann mangelhaft, wenn es der vertraglichen Beschaffenheit nicht entspricht. Dazu das LG weiter:

"Wenn Parteien in einem Kaufvertrag nicht nur die Mängelhaftung für das Kaufobjekt ausschließen, sondern zugleich eine Soll-Beschaffenheit vereinbart haben, stehen beide Regelungen, zumindest aus der Sicht des Käufers, gleichrangig nebeneinander. Sie können deswegen nicht in dem Sinne verstanden werden, dass der umfassende Gewährleistungsausschluss die Unverbindlichkeit der Beschaffenheitsvereinbarung zur Folge haben soll."

Fazit

Eine vertragliche Vereinbarung über bestimmte Eigenschaften eines Pferdes gehen formularmäßigen Haftungsbeschränkungen vor. In dem geschilderten Fall ist daher der Klage stattgegeben worden.

Dr. Plewa/Dr. Schliecker Rechtsanwälte

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