Stutenfamilien in Mecklenburg Vorpommern (5)

Erschienen am 20.07.2011
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Ihre Bedeutung haben viele Züchtergenerationen erkannt / dieser Beitrag handelt von der Familie der Noberine I (5)

INoberine I-Tochter Schaffnerin (v. Schenkendorf) siegte bei der Reichsverbandsstutenschau in Güstrow 1937. Fotos: Repro Boeseln dieser Ausgabe soll eine besonders alte, mecklenburgische Stutenfamilie vorgestellt werden. Es handelt sich um die Familie der Noberine I, die ihre Heimat bei der Züchterfamilie Brinckmann in Rostock Lütten-Klein hat. Auch wenn er gegenwärtig nicht mehr aktuell ist, zählte dieser Stutenstamm doch einmal zu den herausragendenden Familien unseres Zuchtgebietes. Durch die politisch-geschichtlichen Ereignisse wurde das Überleben dieses einst so erfolgreichen Stutenstamms außerordentlich erschwert.

Es gibt kaum noch Stutenstämme in Mecklenburg, deren Ursprung bis in die Zeit vor den Weltkriegen nachzuvollziehen ist. Die Geschichte der Stutenfamilie der Noberine I kann beispielhaft für das Schicksal vieler alter mecklenburgischer Stämme stehen.
 
Es begann mit Celiane
Dieser Stamm beginnt bei der 1893 geborenen Stute Celiane vom Centauer/Nestor. Sie erfüllte die strengen Kriterien zur Eintragung in das erste großherzoglich-mecklenburgische Gestütbuch. Darin wird unter anderem eine erbfehlerfreie, homogen gezogene und im Typus eines edlen, starken Reit- und Wagenpferdes stehende Stute mit hohen räumenden Gängen verlangt. Zur Eintragung mußte die Stuten tragend oder mit Fohlen bei Fuß vorgestellt werden. Celiane wurde unter der Nummer 518 eingetragen und brachte in der Zeit von 1899 bis 1910 acht lebende Fohlen. Über zwei ihrer Stutfohlen liegen gesicherte Nachweise vor. Ein 1905 geborener Hengst vom Weltgeist wurde vom Landgestüt Redefin erworben.
Celianes 1900 geborene Tochter Xanthen (Nr. 1031 im zweiten Mecklenburger Gestütbuch) wurde, aufgrund ihrer guten Qualität, vom Landgestüt angekauft, um an kleinere Züchter günstig abgegeben zu werden. Mit dieser Maßnahme wurde die Schaffung einer guten Stutengrundlage in der Breite aktiv unterstützt. Auch drei Töchter aus der Xanthen wurden, wiederum zu diesem Zwecke, vom Landgestüt erworben. Ebenso gab es ein umfangreiches Prämierungssystem für die Besitzer guter Stuten. Die Züchter bekamen eine Unterstützung bzw. Prämie von der Landeskommission, mußten sich aber dazu verpflichten, die Stute mindestens drei Jahre zur Zucht zu behalten und decken zu lassen.
Eine weitere Tochter der Celiane begründete einen hocherfolgreichen Familienzweig. Die 1909 geborene Noberine von Nob wird unter der Nummer 2186 im dritten Mecklenburgischen Gestütbuch geführt. Sie brachte 1919 eine hellbraune Stute vom Jubilar, die unter dem Namen ihrer Mutter und er Ziffer I (Noberine I) auch noch unter der Nummer 4402 im Mecklenburger Gestütbuch eingetragen wurde. Die Namensgebung wurde im Gestütbuch angeraten, um eine Zuordnung zu den Stutenfamilien zu erleichtern, woran ist der damalige Stellenwert eines guten Stutenstammes deutlich abzulesen.
 
Noberine I mit 13 Fohlen
Für Familienbegründerin Noberine I erhielt Züchterfamilie Brinkmann 1926 vom Reichsverband ein Diplom.Die Stute Noberine I wirkte im Züchterstall der Familie Brinckmann aus Rostock Lütten-Klein bis in die Nachkriegszeit. Sie soll sehr fruchtbar gewesen sein und brachte 13 lebende Fohlen. Sie wird als Stammstute angenommen, weil sie sowohl züchterisch als auch in der Eigenleistung überdurchschnittliche Ergebnisse erbrachte und den Stamm zu einer Verbreitung geführt hat. Über vier ihrer Stutfohlen konnten Nachweise gefunden werden.
Die 1925 und 1926 geborenen Töchter Noberina und Nobera stammen vom Adenio. Die 1929 geborene Noberia vom Alabaster. Diese drei Geschwister haben lange auf dem heimischen Hof gewirkt. Ihre überlegene züchterische Eignung und ihre Leistungsbereitschaft stellten sie bei der zentralen Leistungsprüfung unter Beweis. Diese drei braunen Stuten gingen 1934 als Sieger aus der damals üblichen Prüfung im Leistungspflügen hervor. Damit wird der große züchterische Einfluß der Noberine I auf ihre Töchter deutlich. Durch die Kriegsfolgen ereilte diese drei herausragenden Stuten das gleiche Schicksal wie so viele andere wertvolle Zuchtpferde aus unserem Zuchtgebiet. Beim Rückzug der russischen Truppen mußten sie im Rahmen der Reparationsleistungen ausgeliefert werden. Lediglich Noberia wirkt durch ein 1937 geborenes Stutfohlen von Schwertfeger züchterisch weiter. Von den anderen beiden Stuten wurden keine Hinweise auf weitere Nachzucht gefunden.
Noberina, geb. 1925 (oben) und Nobera, geb. 1926 - zwei Vollgeschwister von Adenio a.d. Noberine I (Züchter A. Brinkmann, Lütten Klein. Fotos: privatDieser Umstand stellt auch eine der Ursachen für die schwierigen Umstände der Familienzucht in Mecklenburg dar. Zahlreiche erfolgreiche Stutenfamilien konnten nicht über den zweiten Weltkrieg hinaus erhalten werden. Oft sind die Stuten irgendwo wieder aufgetaucht, aber ohne einen eindeutigen Abstammungsnachweis konnten sie ihrer Familie nicht mehr zugeordnet werden.
Das vierte Stutfohlen aus der Noberine I war die Stute Schaffnerin vom Schenkendorf. Sie wurde 1933 geboren und konnte zu einer weiteren Verbreitung der Stutenfamilie beitragen. Diese Stute verkörperte das damalige Zuchtziel in hervorragender Weise, was die Vererbungsleistung der Mutter Noberine I erneut belegt. Schaffnerin wurde 1937 Gesamtschausiegerin der Mecklenburgischen Reichsstutenschau in Güstrow, ebenso wie bereits ein Jahr zuvor in Redefin. Glückliche Umstände verhinderten die Auslieferung nach Kriegsende. Zum Zeitpunkt des Durchmarsches der russischen Truppen litt Schaffnerin an Räude. Sie war bereits seit mehreren Tagen, zur Ausheilung, im Backhaus der Familie Brinckmann untergebracht. Dort ist sie nicht gefunden worden und blieb so ihren Besitzern erhalten. Somit konnte Schaffnerin 1945 Mutter des gekörten und stark frequentierten Hengstes Schwertsteich vom Schwertfeger werden. 1950 stellte Schaffnerin in ihrer Tochter Schwäche vom Schwertfeger einen Familienzweig sicher. Mitte der 50er Jahre musste Familie Brinckmann die eigene Pferdezucht und -haltung aufgeben. Durch die Eingliederung in die LPG war eine eigene Pferdehaltung nicht mehr möglich.
Diese Entwicklung betraf fast alle privaten Pferdehalter und veränderte die kleinbäuerlichen Zuchtstrukturen in Mecklenburg erheblich. Durch die Verdrängung des Pferdes aus der Landwirtschaft, die zunehmende Technisierung und die Schaffung großer Produktionsgenossenschaften wurden nur noch wenige Pferde gebraucht. In dieser Zeit erfolgte der nächste große Einschnitt in die traditionelle Familienzucht. Stutenstämme sind in der Regel an erfahrene Zuchtstätten gebunden, die um die Qualität ihrer Familie wissen und diese gezielt fördern. Durch die Strukturveränderung kam es zu großen Verlusten an gutem Stutenmaterial und auch das züchterische Wissen vieler privater Pferdezüchter ging verloren.
Auch die Brinckmannsche Stute Schwäche musste abgegeben werden. Sie konnte aber in einer LPG auf der Insel Rügen weiter züchterisch wirken. Es gab aber auch viele erfolgreiche Stuten, die in den Export oder als Nutzpferd verkauft wurden und der mecklenburgischen Zucht unwiederbringlich verloren gegangen sind.
Aus der Schwäche stammt die Staatsprämienstute Fahrstunde vom Fahrplan (geb.1956). Sie brachte bis 1971 acht Fohlen, darunter nur zwei Stuten - die beiden Vollgeschwister Demone I und II (geb.1960 und ´64) vom Demagoge. Demone I wurde nur einmal vom Tannenhäher xx gedeckt, die entstandene Stute aber in eine LPG nach Sachsen-Anhalt verkauft. Im Rahmen der Zentralverteilung in der DDR wurden immer wieder gute Hengste und Stuten aus dem mecklenburgischen Zuchtgebiet in andere Zuchtgebiete gegeben. Auch durch diese Entwicklung ist wertvolles Stutenmaterial der heimischen Zucht verloren gegangen. Die Vollschwester Demone II wirkt durch ihren gekörten Hengst Alberto vom Alunit (geb.1973) nachhaltig auf die mecklenburgische Zucht. Mit diesem Hengst erlischt der Familienzweig der Schaffnerin. Es konnten noch keine weiteren Nachkommen dieses erfolgreichen Zweiges gefunden werden.
Ein kleiner Familienzweig der Stutenfamilie der Noberine I führt in das württembergische Zuchtgebiet. Aus der im Krieg verschleppten Noberia stammt die St.Pr.St. Schwerthilde vom Schwertfeger. Deren 1943 geborene Tochter Allardschwert brachte noch zwei Töchter vom Flingmann und Flimmerstahl. Die 1952 geborene Flingmann Tochter Flinghilde führt über eine Tochter vom Senor und deren Tochter Monte Zuma III vom Mahagoni xx zu der württembergisch eingetragenen Gina vom Granimedes. Deren Tochter Walesca vom Welt As lieferte die aktuell bis L-Dressur platzierte Rhea vom Rohdiamant. Durch den Export einer mecklenburgischen Stute existiert die einst so erfolgreiche Stutenfamilie der Noberine I nur noch im württembergischen Zuchtgebiet.
Die Stutenfamilie der Noberine I gehörte einst zu den herausragenden des mecklenburgischen Zuchtgebietes. In dieser Stutenfamilie vereinen sich alle geschichtlichen Gegebenheiten, über den Weltkrieg, zunehmender Technisierung, Gründung von Produktionsgenossenschaften und Verdrängung der kleinbäuerlichen Strukturen, Zentralverteilung und Export, die das Überleben erfolgreicher Stutenfamilien in Mecklenburg-Vorpommern so erschwert haben.
Nach der politischen Wende gab es einen erneuten Einschnitt. Einige große Güter und Produktionsgenossenschaften hatten es geschafft, auch zu DDR Zeiten eine erfolgreiche Familienzucht aufzubauen. Über einige dieser Familien wird noch berichtet werden. Nach 1990 konnte nicht jede damals erfolgreiche Stute behalten werden und es kam wiederum zu Verlusten an gutem Stutenmaterial. Auch verfügte nicht jeder "Neu-Züchter" über das entsprechende züchterische Wissen.
Trotzdem scheint der Aufbau guter Stutenfamilien wieder auf dem richtigen Weg und das Bewusstsein um gute Stämme rückt wieder mehr in den Vordergrund. Denn eine konsolidierte Zuchtstute aus einem erfolgreichen Stutenstamm ist die beste Voraussetzung für eine erfolgreiche Sportpferdezucht.
Auch Herr Brinckmann hat nach der politischen Wende die Möglichkeit genutzt und mit einer Morgan Stute wieder mit der Pferdezucht begonnen. Auch wenn diese Stute nicht aus "seiner Familie" der Noberine I stammt, hat ihn doch sein Pferdeverstand zu der richtigen Stute geführt und er kann auf mehrere erfolgreiche Sportpferde und eine Staatsprämienstute, die bis jetzt das einzige Stutfohlen war, verweisen. (Kristin Romanowski)
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