Pritzwalk: PM-Veranstaltung 22.11.2010

Erschienen am 23.11.2010
Ergebnisse
Ritte des Jahrhunderts mit der „Stimme des Pferdes“

Die Moderatoren und Podiumsgäste der PM-Veranstaltung "Ritte des Jahrhunderts" in Pritzwalk zum Abschlussfotoshooting. Foto: Jutta Wego.

 Pritzwalk. Die Persönlichen Mitglieder (PM) der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) haben die Benefizgala „Ritte des Jahrhunderts“ ins Leben gerufen. Die Erlöse kommen gemeinnützigen Einrichtungen des Pferdesports zugute. Es gab bisher sechs solcher Veranstaltungen, in denen Talkgespräche mit prominenten Pferdesportlern vergangener Zeiten und der Gegenwart geführt, und jeweils drei eigens dazu erstellte Filmstreifen von „pferdia-tv“ (Thomas Vogel) gezeigt wurden. Die Filme stellen im Zeitraffer den Wandel des Turniersports von 1912 bis zu Gegenwart da.

Die siebte Veranstaltung dieser Art wurde am 22. November gemeinsam von den PM’s aus Berlin-Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern in Pritzwalk durchgeführt. Der Saal des großen Kulturhauses war bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Besucher wurden nicht enttäuscht. „Das war eine großartige Veranstaltung“, sagte eine junge Besucherin. „Man konnte Vieles aus den letzten 100 Jahren erfahren was ich noch nicht wusste“.
In der Tat herrschte allgemeine Begeisterung. Als der 87-jährige Hans-Heinrich Isenbart seine Stimme erhob, und als „Mahner für die Interessen des Pferdes“ auftrat, erhoben sich alle von ihren Plätzen und es gab nicht enden wollenden Beifall. Als „Stimme des Pferdes“ ist der Horseman, der 1956 in Stockholm zum ersten Mal im Fernsehen auftrat und die Olympischen Spiele kommentierte, schon zu Lebzeiten zur Legende geworden.
Als Gesprächsgäste bei der Veranstaltung in Pritzwalk wirkten mit: Uwe Plank (zu DDR-Zeiten einer der erfolgreichsten Vielseitigkeitsreiter, Christian Zehe (heute international gefragter Gelände-Parcourschef), die Dressurlegenden Madeleine Winter-Schulze und ihre Freundin Ina Müller-Saalbach. Ferner die Dressur-Boys, wie Christoph Hess sie betitelte, Wolfgang Müller, Horst Köhler und Wolfgang Brockmüller (zu DDR-Zeiten die besten Dressurreiter im Osten). Als letzte Gruppe traten die Springreiter Rolf Günther, Holger Wulschner und André Thieme auf’s Podium, um sich von Manfred Genske (Vorsitzender des Reiterverbandes Prignitz) und FN-Ausbildungsleiter Christoph Hess befragen zu lassen. Ganz wesentlich hat Hans-Joachim Begall (Geschäftsführer im Pferdesportverband von MV), der in Pritzwalk geboren wurde, in die Vorbereitungen eingeschaltet und eine Chronik erstellt, die für Alle zum Mitnehmen auslag.
Hans-Heinrich Isenbart erinnerte daran, dass die ostdeutsche Region in den 1930er Jahren, als noch die Heeresdienstvorschrift von 1912 (HDV) vorgab, wie Pferde ausgebildet werden sollen, mit den Kavallerieschulen in Potsdam-Krampnitz und Ludwigslust ein Zentrum des Militärreitinstituts (MRI) Hannover war. Karl-Friedrich Fhr. von Langen wurde von ihm besonders herausgestellt und kam auch im 1. Film deutlich zur Geltung. Sportliche Höhepunkte waren damals auch die Kaiserpreisritte.
Zu den beiden ersten Filmen aus der Zeit von 1912 bis 1950 und bis 1972, bei dem Schmunzeln unter den Besuchern aufkam, sagte Isenbart: „Jede Zeit hat seine Zeit und ist berechtigt seine Idole hervorzubringen“. Geradezu dramatisch wurden im Film die legendären Ritte von Hans-Günter Winkler mit Halla in Stockholm kommentiert, der bekanntlich mit gerissener Leiste und schreiend vor Schmerzen, weiter ritt und Goldmedaillengewinner wurde. Die Schreie bestätigte Hans-Heinrich Isenbart, der in Schweden dabei war und schilderte, wie Winkler von einem Tierarzt mit starken Schmerzmitteln zwischen den beiden Umläufen behandelt wurde. Er räumte in Pritzwalk aber mit einer „Legende auf“, wie er sagte. „Durch die Medien ging damals und wird noch heute oft behauptet, dass Halla wusste was mit Winkler geschehen war und die Parcours deshalb allein ohne Einwirkung des Reiters absolvierte. Das stimmt nicht“, sagte Isenbart, „reiten und einwirken musste Hans-Günter schon“.
Isenbart sprach auch über die olympischen Disziplinen. Er brachte ein Zitat, dass ihm jemand sagte, der kein großer Freund der Dressur ist. Dieses lautet: „Dressur ist so spannend, als wenn man zuschaut wie Farbe trocknet“. Das wollte er aber nicht bestätigen und kritisierte dafür die Spitzenreiter der heutigen Zeit. „Wer reitet heute noch im leichten Sitz, wie er von der Kavalleriereitschule Hannover gelehrt wurde“, sagte er fragend in den Raum. Er endete mit seinem Statement, in dem er seine größte Hochachtung den Züchtern zollte. Dafür erntete er viel Beifall.
Interessant auch die Schilderungen der Podiumsgäste zum Pferdesport in der DDR. Uwe Plank berichtete über seine dramatischen Ritte in Mexiko. Christian Zehe schilderte seine kurze Zeit im gemeinsamen Deutschland mit seinem Superpferd Gallus, der wenige Tage vor dem Abflug zu den Olympischen Spielen nach Barcelona einem Aortaabriss erlag. Bewegend, interessant und fröhlich zu gleich die Gespräche von Madlen Winter-Schulze und Ina Müller-Saalbach, die sich schon 1983 kennen lernten.
Der gebürtige Mecklenburger Horst Köhler war zusammen mit Wolfgang Müller und Gerhard Brockmüller das beste Dressurteam der DDR. Auch diese Drei schilderten ihre Erlebnisse. Als Team nahmen sie 1968 in Mexico (4. Platz) und 1972 in München (5.) an den Olympischen Spielen teil.
Christoph Heess (links) und Mafred Genske (rechts) befragen die einstigen DDR-Dressurlegende Wolfgang Müller, Horst Köhler und Gerhard Brockmüller (v.l.) nach den Erlebnissen aus ihrer aktiven Zeit. Foto: Jutta WegoIn die Vorwende- und Neuzeit wurden die Besucher mit den Fragen von Christoph Hess und Manfred Genske durch die drei Mecklenburger Springreiter Rolf Günther, Holger Wulschner und André Thieme geführt. Der erste Derbysieg von André Thieme 2007 lebte an der Leinwand noch mal auf und erzeugte Gänsehaut. Auf die Frage von Hess, der übrigens sehr wohltuend bewusst nicht mehr von „Neuen Bundesländern“, sondern von „östlichen Bundesländern“ sprach, wie man sich die Dominanz der Mecklenburger in den letzten zehn Jahren beim Hamburger Derby erklären kann, wurde ihm gesagt: „Derby als absoluten Jahreshöhepunkt betrachten, Zusammenhalt in der Truppe, optimale Trainings- und Vorbereitungsmöglichkeit auf dem Derbyplatz in Passin, gezieltes Hinarbeiten auf das Ereignis und Fleiß, Fleiß, Fleiß. „Das ist bei den Konkurrenten aus Deutschland nicht so ausgeprägt“, sagte André Thieme, der bekannt gab, dass, sein 15-jähriges Derbypferd Nacorde, mit dem er in Hamburg schon sechsmal vorn dabei war, in diesem Jahr noch Mal an den Start gehen soll, wenn er gesund bleibt, und dann im nächsten Jahr auf dem Derbyplatz verabschiedet werden soll. „Das habe ich Paul Schockemöhle und Volker Wulff versprochen“, so Thieme.
Der Erlös der Veranstaltung in Pritzwalk kommt Brandenburgs Landesstützpunkt Reiten mit Handicap in Radensleben bei Neuruppin zugute. Die Reitschule bietet für Rollstuhlfahrer, Schlaganfall-Patienten sowie Sportler mit Handicaps einen einmaligen Unterricht - von der Longe bis zur Vorbereitung auf internationale Turniere (Dressur und Springen). Eine Abordnung dieser Schule konnte in Pritzwalk begrüßt werden. (HMW)
Ergebnisse

Warenkorb

Sie haben 0 Artikel in Ihrem Warenkorb

Warenkorbwert: 0,00€