Springausbildung: Standardparcours zu Hause üben

Erschienen am 20.02.2012

Stilspringprüfung der Klasse A

Reitmeister Karl-Heinz Streng erklärt den neuen Standardparcours 1 für Stilspringen der Klasse A. Foto: Wego

Reitmeister Karl-Heinz Streng erklärt den neuen Standardparcours 1 für Stilspringen der Klasse A. Foto: Wego

Im gerade erschienenen blauen Aufgabenheft finden sich nicht nur für die Dressurreiter neue Herausforderungen. Auch die Springreiter sollten sich das Büchlein gut ansehen und die neuen Standardparcours studieren. Von Seite 259 bis 305 - dem Teil mit dem rosafarbenen Rand -werden die neuen Standardparcours erläutert. Stilspringprüfungen mit Standardanforderungen gibt es zwar schon seit einiger Zeit, jedoch wurden die Aufgabenstellungen nun komplett überarbeitet. Reitmeister Karl-Heinz Streng (70), der mehrfach in Redefin Springlehrgänge abgehalten hat und dort auch als Richter im Einsatz war, hat diese Parcours genau unter die Lupe genommen: "Der Sinn und Zweck dieser Standardparcours ist, dass Reiter, die keinen Reitlehrer haben oder ohne Trainer zu Hause üben wollen, eine Anleitung haben, wie sie selbst einen reitbaren und sinnvollen Parcours aufbauen können."

Verbesserte Ausbildung

Die reiterliche Ausbildung in Deutschland soll wieder besser werden, es muss mehr Wert auf Sitz, Einwirkung, Tempo und Weg gelegt werden - und all diese Dinge können bereits im Training geübt werden: "Bereits zu Hause müssen die Parcours ordentlich aussehen, Turniere dienen nur der Leistungsabfrage und nicht der Übung." In den Standardparcours werden die Wege, das Tempo und die Anzahl der Galoppsprünge genau vorgegeben. Wenn die Reiter diese Anhaltspunkte zum Trainieren nehmen, schulen sie sich selbst, auch ohne Reitlehrer.

Kontrolliertes Lernen, nennt Karl-Heinz Streng dies. Und dieses kontrollierte Lernen sollte schon in den niedrigen Klassen beginnen. Wenn man die Parcours vollkommen beherrscht, zu Hause immer wieder übt und sich selbst korrigiert beziehungsweise korrigieren lässt, kommt einem diese Grundausbildung später in den höheren Klassen zugute.

Aus diesem Grund wurden die Standardparcours von einem Gremium mit Experten wie Hans Günter Winkler und Herbert Meyer entworfen. Der Profi sagt sogar: "Meiner Meinung nach sind die Standardparcours das Beste, was in den letzten 30 Jahren im Reitsport passiert ist - abgesehen von Sicherheitsauflagen."

Traurige Situation auf Turnieren

Auch auf den Turnieren sollten die Veranstalter diese Parcours aufbauen, die Realität sieht jedoch leider anders aus. "Aus Zeitgründen", sagt Streng kopfschüttelnd, "schreiben die meisten Veranstalter diese Standardparcours nicht aus. Dafür lassen sie in einem A-Springen pro Starter drei Pferde zu und haben dann Starterfelder von über 100 Pferden! Das ist doch paradox!"

Er hoffe, so der Reitmeister, dass sich dies in Zukunft ändere: "Statt in erweiterte Startmöglichkeiten sollte besser in eine korrekte Ausbildung investiert werden, das ist gerade für junge Leute das Wichtigste überhaupt." Karl-Heinz Streng betont auch, dass Reiter so lange in einer Klasse reiten sollten, bis sie die Anforderungen wirklich kontrolliert beherrschen - erst dann sollte der nächste Schritt mit Starts in einer höheren Klasse erfolgen.

Klasse A: die Grundlagen

Wir stellen nun den Parcours vor, der auf Seite 272 im Aufgabenheft zu finden ist: Eine Stilspringprüfung der Klasse A mit Standardanforderungen für eine Halle mit einer Abmessung von 20 x 60 Metern. Karl-Heinz Streng betont, dass für ihn schon das Einreiten zur Note zählt, ebenso wie das Herausbringen des Paares: "Eine ordentliche Grußaufstellung ist ganz wichtig. Wenn das Pferd schon unruhig steht und mit dem Kopf schlägt, vielleicht sogar rückwärts rennt und der Reiter es nicht unter Kontrolle hat - wie soll es da im Parcours ein harmonisches Bild geben?"

Auch auf ein entsprechendes Bügel- Zügelmaß sollte geachtet werden. Bei den Standardparcours muss an vorgegebener Stelle (in der Parcoursskizze mit G gekennzeichnet) gehalten werden. In diesem speziellen Parcours wird dann an vorgegebener Stelle - etwa in der Mitte der langen Seite - bei Nummer 1 angetrabt und im Leichttraben eine halbe Runde auf dem Mittelzirkel geritten. Schon hier sollte auf ein geregeltes Grundtempo und eine ordentliche Ausführung geachtet werden.

Nach der Trabstrecke wird an Nummer 2 angaloppiert und der Entlastungssitz eingenommen. Wichtig hierbei ist, dass der Übergang am richtigen Punkt erfolgt und dass der Galopp rhythmisch und gleichmäßig mit angepasstem Tempo geritten wird.

Nach einer halben Runde Galopp auf dem Mittelzirkel geht es über das erste Hindernis, das die Nummer 3 trägt, ein Steilsprung auf der linken Hand. Auf der Mittellinie einige Meter neben X befindet sich Hindernis Nummer 4, ebenfalls ein Steilsprung, nach dem es rechtsherum auf eine Distanz an der langen Seite geht, die Hindernisse 5 und 6. Hierbei handelt es sich um einen Oxer und einen Steilsprung, zwischen denen ein Abstand von 21,20 Meter vorgege­ben ist - das sind fünf Galoppsprünge, die auch eingehalten werden sollten.

Der Experte sagt dazu allerdings: "Natürlich sind die vorgegeben Distanzen einzuhalten. Ich muss jedoch sagen, wenn bei einer längeren Distanz - bei drei Galoppsprüngen geht das selbstverständlich nicht - der Reiter merkt, dass es Probleme geben könnte, etwa weil das Pferd einen kleinen Galoppsprung hat und in der Distanz einen Galoppsprung mehr macht, dann finde ich das gut! Wenn er, anstatt kopflos loszupreschen, bewusst einen Galoppsprung mehr reitet, muss es natürlich einen kleinen Abzug geben, weil die Galoppsprünge nicht eingehalten wurden, aber das ist dann gutes Reiten. Dieser Reiter ist auf dem richtigen Weg!" Nach dieser Distanz geht es rechtsherum über einen Oxer diagonal durch die Mitte der Bahn (Hindernis 6). Anforderung Nummer 8 ist eine Volte mit einem Durchmesser von zirka acht Metern um Hindernis Nummer 10.

Wichtig: der Rhythmus

Bei dieser Aufgabe ist darauf zu achten, dass die Volte ein exakter Kreis ist und dass der Galopprhythmus erhalten bleibt. Danach geht es weiter auf der linken Hand zu Hindernis 9, eine Kombination Steil-Oxer mit einem Abstand von 10,60 Meter (beim Pony-Ausgleich 10,10 Meter), also zwei Galoppsprüngen. Nach dem Aussprung der Kombination geht es auf die rechte Hand, und es wird das letzte Hindernis (Nummer 10) überwunden. Nach dem letzten Hindernis wird an vorgegebener Stelle durchpariert zum Leichttraben und auf dem Zirkel geritten, bevor die Ziellinie durchritten wird.

Reitmeister Karl-Heinz Streng hat noch einige Anmerkungen zur Bekleidung der Reiter, gerade auch im Reitunterricht: "Dunkle Handschuhe lehne ich ab. Von Weitem kann der Reitlehrer nicht sehen, ob die Zügelfäuste verdeckt getragen werden, und dieser Fehler schleicht sich ein. Auch weite Pullover - womöglich noch mit Kapuze - sollten beim Training nicht getragen werden. So kann der Reitlehrer gar nicht sehen, ob der Reiter einen Buckel macht. Auf dem Turnier im Jackett sehen die Richter dies aber sofort, und es wirkt sich negativ auf die Note aus."

Regeln für Veranstaltungen

Übrigens: Wird dieser Standardparcours auf einem Turnier gebaut, müssen verschiedene Regeln beachtet werden. Zum einen gilt für diesen Parcours, dass das zu reitende Tempo für Außenplätze mit 350 m/Min. und für Hallen mit 325 m/Min. bemessen sein sollte. Wenn - wie hier - Trabaufgaben mit eingebunden sind, muss diese Zeit verändert werden, ebenso bei der Aufgabenergänzung durch einen Zirkel (plus fünf Sekunden) und eine Volte (plus drei Sekunden).

Die Höhe der Hindernisse sollte zwischen 0,95m und 1,10m (A* oder A**) liegen. Karl-Heinz Streng sagt dazu: "Im Training sollte man die Abmessungen der Hindernisse auch einmal ausreizen, wenn man alle Einzelsprünge komplett kontrolliert beherrscht." Apropos Training: Man sollte ständig am Üben bleiben und sich immer weiterentwickeln. Auch wenn man Lehrgänge besucht - ein Lehrgang alleine reicht nicht. Der Reiter muss "dranbleiben", bis alles funktioniert. Und gerade bei dieser Entwicklung helfen die neuen Standardparcours.

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