Hamburg (01.-04.05.2008)

Erschienen am 05.05.2008
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Andre Thieme gewann erneut das Blaue Band
Das 79. Deutsche Spring-Derby in Hamburger war fest in Mecklenburger Hand. Das Phänomen des letzten Jahres schlug in anerkennendes Staunen über die starken Mecklenburger Springreiter um.

Sie wollten ihn am liebsten gar nicht mehr raus reiten lassen, die 27.000 Zuschauer des 79. Deutschen Spring-Derbys, Andre Thieme aus Plau, Titelverteidiger und zum zweiten Mal Sieger (versüßt mit 38.000 Euro Preisgeld) im 1.230 Meter langen, mit 17 Hindernissen und 26 Sprüngen schwersten Springen der Welt in Hamburg-Klein Flottbek. Mit einer tadellosen Runde auf dem 13-jährigen Wallach Nacorde, sprang der Mecklenburger im Umlauf ins Stechen, ballte die Faust und nahm sich einiges vor. Insgesamt fünf Reiter blieben im Umlauf fehlerfrei und machten damit ein Stechen erforderlich. Das Grandiose: neben Thieme schaffte das aus Mecklenburg erneut Thomas Kleis (Wendorf) auf Zetor und erstmals Matthias Granzow (Passin) auf der 14-jährigen Mecklenburger Stute Antik.

Als Erster musste Carsten-Otto Nagel aus Wedel, der als 14. Starter mit Calle Cool die erste Nullrunde lieferte, an den Start, und setzte die Mitbewerber ohne Fehler in 52,59 sehr unter Druck. "Ich hab ganz schön Muffensausen gehabt, als ich Carstens Zeit sah und es war gut, dass ich mir seinen Ritt ansah", räumte Thieme ein, der wusste, dass diese Zeit des erfahrenen Stechreiters schwer zu knacken sei. Als Zweiter musste Matthias Granzow, der sich ebenfalls einiges vorgenommen hatte, in den Hexenkessel. Etwas viel Fahrt auf das Gatter zwischen den beiden Mauern brachte den ersten Fehler, dem die beiden Holsteiner Wegesprünge folgten. Dennoch ist der 5. Platz ein ausgezeichnetes Ergebnis für den dreifachen Landesmeister und seine Mecklenburger Stute Antik und ein schönes Geschenk für sich und Maren Müller zur wenige Tage später angestandenen Hochzeit. Mit Linda Heed schaffte es auch eine Dame ins Stechen. In der 2. Qualifikation schon Vierte geworden, hatte die Schwedin im Stechen auf Columbus H zwei Abwürfe und wurde Dritte.
Dann war Andre Thieme an der Reihe. Würde er dem Druck stand halten? Unbedingter Siegeswille kann Berge versetzen und so ritt er vom ersten Sprung an voll auf Angriff. Mit voller Fahrt, Nacorde aber fest am Bein, ging es auf die knapp 1,60 m hohen luftigen Holsteiner Wegesprünge zu, deren Abstand von 7,60 m bei dem hohen Tempo eher eng ist. Doch Nacorde schien das "Blaue Band" ebenso erneut gewinnen zu wollen wie Andre und mit einem Jubelschrei, vor allem der vielen Hundert Fans aus MV, ritt er in 50,45 Sekunden fehlerfrei über den Zielstrich. Doch er konnte sich seines Sieges noch nicht sicher sein. "Die Pferde von Thomas Kleis sprangen an allen Tagen phantastisch, und nach seinem 2. Platz im Vorjahr wusste ich, dass er es diesmal unbedingt wissen wollte", wiegelte Thieme nach seinem Ritt ab. Als letzter Starter war Thomas in der Tat mit seinem elfjährigen Wallach Zetor (v. Zeus) fast auf Siegerkurs. Schnell wie der Wind sauste er fehlerfrei über die ersten drei Hindernisse. Mit hohem Tempo auch auf den Birkenoxer, kam Zetor vielleicht etwas groß an. "Er hat alles für mich gegeben, hatte an diesem Sprung aber kein Chance", lobte Kleis sein Pferd. "Danach war der Faden so ein bisschen weg, und die beiden Abwürfe an den Wegesprüngen waren Folgefehler", analysierte Thomas seinen Ritt, der damit Vierter wurde.

Jubel natürlich auch im Lager von Andre Thieme, für den es ein sehr emotionaler Tag war. Nacordes Besitzer "Fiete" Biemann aus Minzow war nach schwerer Operation erstmals wieder mit auf Turnier-Tour. "Mein Fiete kümmert sich wie ein Pfleger um Nacorde, der ist gar nicht wie ein normaler Pferdebesitzer", so Thieme. Minutenlang lagen sich Reiter und Besitzer in den Armen. Besonders erfreut war der 33-jährige, der am 21. Juni seine Lebensgefährtin Corinna Schwolow heiratet, das auch Vater Michael Thieme, Dressurausbilder am Landgestüt Redefin und überhaupt die ganze Familie nach Hamburg gekommen war.

Doch damit waren die Erfolge der Mecklenburger Reiter noch nicht komplett. Nur einen Abwurf am Einsprung von "Pullvermanns Grab" hatte Holger Wulschner (Groß Viegeln) auf dem Schimmel Cool-Man (8. Platz). Richard Robinson (Sommerstorf) traf auf Olli-Pop die letzten Mauer (11.), die vor zwei Jahren auch Thomas Kleis zum Verhängnis wurde. Pech hatte Heiko Schmidt (Neu Benthen), dessen Mecklenburger Galan in beiden Qualifikationen mit Nullrunden glänzte (12. und 5. Platz). Im Finale kam er etwas schräg vom großen Wall, bekam den Golden Miller Wallach nicht mehr gerade und ritt an der Planke vorbei. Ein weiteres Ausbrechen am Einsprung der Trakehner Gräben, dem Angstsprung von Andre Thieme, führte zum Ausscheiden. Für Debütant Jörg Möller (Garlitz) war es ein großer Erfolg, das Finale erreicht zu haben. Sein El Greco mochte den großen Wall nicht so recht und schied ebenfalls aus. "Wir haben Derbyluft geschnuppert und werden uns zukünftig gezielter darauf vorbereiten", sagte sein Bruder Holger Möller, der uns verriet, dass auch in Garlitz der Bau von Derbyhindernissen geplant ist.
Glaubten im Vorjahr noch etliche "Fachexperten", dass die Mecklenburger Erfolge Eintagsfliegen waren, so haben "unsere Jungs" in diesem Jahr auch den letzten Kritiker überzeugt. Das begann bereits in der 1. Qualifikation, die 70 Paare in Angriff nahmen, bei der vier Mecklenburger fehlerfrei blieben, darunter Thomas Kleis mit seinen beiden Pferden Zetor (9. Platz) und dem neunjährigen Cousteau v. Carolus (7.). Richard Robinson wurde auf Olli-Pop Zehnter und der 12. Platz ging an Heiko Schmidt auf Galan. Schmidt setzte bereits im Eröffnungsspringen am Mittwoch mit einem 3. Platz auf Coverlady ein Achtungszeichen. In der 2. Qualifikation, in der bereits 14 Pferde bei 57 Startern ausschieden, war die geballte Macht der Mecklenburger noch größer. Sechs Teilnehmer erreichten das Stechen, darunter mit Thomas Kleis auf dem Schimmel Cousteau (3. Platz), Heiko Schmidt auf Galan (5.) und Andre Thieme auf Nacorde, der zum Stechen nicht antrat (6.) drei Mecklenburger. Darüber hinaus platzierten sich noch Thomas Kleis auf Zetor (8.) Holger Wulschner auf Cool-Man (11.) und Richard Robinson auf Chaplin (14.) die alle nur einen Abwurf hatten. Ganz stark trumpften in diesen beiden Springen die Iren und Engländer auf, von denen der Ire Cameron Hanley, der einst den Mecklenburger Chacco-Blue ins Bundeschampionatsfinale ritt, die 2. und Robert Whitaker (GBR) die 1. Qualifikation gewann. Im Finale konnte aber nur Robert Smith (GBR) auf dem 7. Platz mit Mr Springfield mithalten.

Zwei wertvolle Platzierungen gab es noch im Speede-Derby, einem Zeitspringen, in dem Richard Robinson mit Chaplin Zweiter und Matthias Granzow mit Cheval de blanc Vierter wurde. Zwei weitere Schleifen gingen in der Youngster-Tour an Richard Robinson auf Carlucci (im Stechen des Finales Neunter) und Holger Wulschner, der den achtjährigen Hengst Acomet (Besitzer Herbert Ulonska) in der 2. Qualifikation mit dem zweitschnellsten Vier-Fehler-Ritt ins Geld ritt. Die Gesamtbörse der sieben Mecklenburger Reiter konnte sich mit 82.582 Euro bei dieser bedeutenden Weltveranstaltung sehen lassen.

Thomas Voss gewann 100.000 Euro
Thomas Voß aus Schülp, im Derby nicht am Start, ließ auf Leonardo B die versammelte Weltelite bei der zweiten Etappe der GLOBAL CHAMPION TOUR im Großen Preis von Hamburg hinter sich und schnappte den Reitsportpromis den ganz großen Scheck über 100.000 Euro Preisgeld vor der Nase weg. "Leo" ist das Top-Pferd von Voß, gehört dem Züchter Karl-Heinz Brinkop und war vor einigen Jahren für wenige Wochen in Riesenbeck zuhause. Ludger Beerbaum gab den Wallach allerdings zurück. Zum Glück für Thomas Voß, der den sensiblen Vierbeiner exzellent einzusetzen weiß und den Übereifer Leonardos in die richtigen Bahnen lenkt. Beerbaum selbst, der in der Qualifikation erstmals sein neues Championatspferd Coupe de Coeur in einem so bedeutenden internationalen Springen ritt, der einmal anhielt, musste sich auf seinem Hengst Goldfever mit Rang 15 begnügen.

Voß und der niederländische Mannschafts-Weltmeister Albert Zoer mit Sam erreichten als einzige das Stechen. Voß musste vorlegen, blieb in 48,35 Sekunden fehlerfrei und setzte Albert Zoer damit unter Druck, der einen Abwurf hinnehmen musste und Zweiter wurde (60.000 Euro). Komplimente für den Sportpartner Checkmate verteilte auch Meredith Michaels-Beerbaum. Die Weltcupsiegerin wurde Dritte und durfte sich über einen Scheck über 40.000 Euro freuen.
Jan Tops, Ex-Nationenpreisreiter und Initiator der GLOBAL CHAMPIONS TOUR, war beeindruckt von der Kulisse, die Hamburgs Traditionsturnier, der einzigen deutschen Station der mit 5,5 Millionen Euro dotierten Serie, bot. 17.000 Zuschauer sorgten für eine einzigartige Atmosphäre. "Es war sehr gut in Hamburg und ich bin froh, in Volker Wulff und Paul Schockemöhle zwei Partner gefunden zu haben, die die gleiche Philosophie verfolgen - den Spitzensport auf einen anderen Level zu heben."

Dressur pur mit Championatsflair
Ein einzigartiges Derby-Finale genossen die Zuschauer am Dressurviereck. Zwei Weltmeisterinnen tauschten mit Australiens Olympia-Kandidatin Kristy Oatley die Pferde und offenbarten Eleganz und Professionalität. Doppel-Wetlmeisterin Isabell Werth heimste die höchsten Noten ein und brachte Equipe-Kollegin Heike Kemmer zum Strahlen, die sich schon freitags darauf gefreut hatte, was "Isabell noch aus Rubi rauskitzelt". Rubi ist Rubin Royal, der vierbeinige Derbysieger, denn der schicke Fuchs bestach unter allen drei Reiterinnen durch seine Rittigkeit und Charme. Die Grand Prix Kür hatte Isabell Werth mit 78,950 Prozent auf Apache OLD gewonnen. In der Siegerehrung auf dem großen Hauptplatz machten die drei Damen den Springreitern dann Konkurrenz und starteten zu einem fulminanten Galoppfinsh Richtung Ausritt. Insgesamt 66.000 Besucher eroberten an vier Tagen den Derby-Park, wie Turnierchef Volker Wulff voller Stolz verkünden konnte und lieferten damit einen neuen Zuschauerrekord.

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