Abfohlüberwachung beim Pferd

Erschienen am 01.02.2012

Methoden und deren Für und Wieder!

Wer kennt sie nicht, jene erwartungs- und spannungsgeladene Zeit der heranrückenden Abfohlung, die viele Nachtwachen beansprucht hat und dann doch in vielen Fällen - frustrierend für den Wachhabenden - unbeobachtet verlief.

Dieser Beitrag stellt einige wichtige Geburtsanzeiger vor und bewertet sie auf Praktikabilität. Es empfiehlt sich, die Verfahren der Geburtsterminierung nach ihrem Einwirkungsgrad (Invasivität) auf die abfohlende Stute zu gliedern.

Glücklicherweise ist die Geburt, die als eine natürliche Sturzgeburt bezeichnet werden darf, meistens komplikationslos und ohne negative Folgen für Fohlen und Mutterstute. Gestört ablaufende Abfohlungen müssen allerdings grundsätzlich als schwerwiegend und folgenreich eingestuft werden. Da eine Störung des Geburtsablaufes so gut wie nicht vor­ausgesagt werden kann, liegt eine systematische Überwachung aller Abfohlungen im Interesse der Gesundheit der Tiere und damit auch des. Erfolges des Züchters.

Nichtinvasive Verfahren

Letzter Decktermin und Trächtigkeitsdauer: Das Pferd hat eine mittlere Trächtigkeitsdauer von 335 bis 337 Tagen. Allerdings fohlen nur etwa 15 Prozent der Stuten in diesem engen Zeitraum ab. Die meisten Stuten fohlen im weiteren Zeitraum von 320 bis 355 Tagen, womit die typische Tragezeit gegeben ist. Hieraus allein wird schon erkennbar, dass die einfache Formel letzter Decktermin plus Trächtigkeitsdauer den exakten Abfohltermin nicht voraussagen und lediglich als grober Anhaltspunkt dienen kann. Die Einflüsse auf die Trächtigkeitsdauer sind vielfältig.

Verlängernd wirken zum Beispiel: Die Abfohlung in den "dunklen" Monaten Januar und Februar, gute Ernährung der Mutterstute und männliches Geschlecht des Fohlens. Einen fördernden Einfluss auf die Geburtsstunde nehmen die Nachtstunden und ruhigen Tagesstunden. Eine akute Unruhe in der Umgebung der Abfohlstute hemmt den Geburtsbeginn. Somit sind die im Schrifttum und Handel vielfach angebotenen Abfohltabellen und -berechnungshilfen nur sehr bedingt praxisgerecht, zumal der letzte Deckakt nicht identisch sein muss mit dem letzten Eisprungtermin, der als Berechnungsgrundlage in Frage kommen müsste.

Äußere Anzeichen

Längerfristige Anzeichen der Geburtsvorbereitung bei der Stute sind in erster Linie die Milchdrüsenvorbereitung zur Laktation und das allmähliche Weichwerden der Beckenbänder, das oft aber infolge der guten Ernährung und stärkeren Muskelpartien im Kruppenbereich der Stuten nicht richtig bewertet werden kann. Ein akutes Anzeichen der bevorste­henden Geburt sind die sogenannten Harztropfen, die von aus den Zitzenkanälen ausgetretenem und geronnenem Frühkolostrum gebildet werden und den Zitzenkuppen aufliegen. Bei Erscheinen dieser Harztropfen muss grundsätzlich mit dem Eintritt der Geburt in den nächsten 24 Stunden gerechnet werden, was allerdings nicht immer eintreten wird und daher kein absolutes Maß für die Geburtsstunde bietet.

Minimalinvasive Verfahren

Vitalfunktionen: Zu diesen Verfahren zählen die Messungen der Vitalfunktionen wie Körpertemperatur sowie Herz- und Atmungsfrequenz, die sich mit Ausnahme der Atmung zur Abfohlstunde hin allmählich ändern, infolge des Fehlens signifikant einsetzender Veränderungen aber nicht praktikabel sind.

Typische Verhaltensweisen: Hochtragende Stuten nehmen nur ausnahmsweise die Liegeposition ein. In der mittelbar präpartalen Phase legt sich die Stute infolge der schmerzhaften Stellwehen mit an Sicherheit grenzender Wahr­scheinlichkeit mindestens einmal, meist sogar mehrere Male nach zwischenzeitlichem Aufstehen in Brust- und manchmal Seitenlage hin. Diese Stereotypie kann zur Geburtsüberwachung in der Form genutzt werden, dass in Rumpfhöhe der Stute ein Lichtschrankennetz so installiert wird, dass die stehende und sich frei in der Box bewegliche Stute das Lichtstrahlsystem stets unterbricht. Beim Niedergehen der Stute entfällt diese Unterbrechung des Strahlensy­stems, so dass hiermit ein Alarmsignal in Gang gesetzt werden kann. Leider ist dieses initiierte Überwachungsverfahren nicht konsequent realisiert worden.

 

Eine Geburtseinleitung sollte nur erfolgen, wenn es eindeutige Indikationen dafür gibt. Foto: Wego

Eine Geburtseinleitung sollte nur erfolgen, wenn es eindeutige Indikationen dafür gibt. Foto: Wego

Kolostrumeigenschaften: Von verschiedenen Quellen wird die Messung von Calcium und Magnesium im Eutersekret in den letzten Tagen vor dem vermuteten Abfohltermin empfohlen. Die Werte steigen zum Geburtstermin an, so dass anhand deren Verlaufskurve die Abfohlung recht genau vorhergesagt werden kann. Die Bedenken der vorzeitigen Lak­tation und des Risikos einer bakteriellen Kontamination des Euters werden von den Autoren aufgrund günstiger Untersuchungsergebnisse verneint.

Hauttemperatur: Ein signifikantes Anzeichen der unmittelbar bevorstehenden Abfohlung sind die kolikähnlichen Anzeichen mit begleitendem Schwitzen in der Vorder- und hinteren Rückenpartie der Stute. Dieses Schwitzen führt infolge der Verdünstungskälte des eintrocknenden Schweißes zu einer geringfügigen, aber messbaren Absenkung der Hauttemperatur.

Das Absinken der Hauttemperatur kann mit Sensoren gemessen und über entsprechende Apparaturen in akustische, optische und fernmeldetechnische Signale umgesetzt werden, so dass hieraus ein Frühmeldesystem für die unmittelbar bevorstehende Geburt entwickelt werden kann. Dieses Prinzip ist sehr erfolgreich im sogenannten Wächtomaten umgesetzt und praxisreif gemacht worden.

Nach ähnlichem Prinzip arbeitet auch der "Birth Alarm", der gleichzeitig für anfängliche Kolikanzeichen auch anderer Pferde genutzt werden kann. Leider liegen über diese Apparatur nur wenige Erfahrungsberichte in unserem Sprachbereich vor.

Invasive Verfahren

Chirurgischer, temporärer Einbau einer alarmgebenden Sperre am äußeren Genitale der Stute: Dieses Verfahren nutzt die bei jeder Geburt auftretende Dehnung des Scheidenvorhofs und das Auseinanderklaffen der Schamlippen durch die passierenden Frucht- und Eihautteile. Beide Schamlippen werden mit einer einfachen Doppelfadenbrücke versehen, die bei der Passage der Fruchtteile ein Magnetmeldesystem, das auf einer Schamlippe außen angenäht ist, entkoppelt wird und ein Signal abgibt, das wiederum telemetrisch weitergesandt werden kann. Dieses System nutzt ein mit hoher Wahr­scheinlichkeit bei jeder Geburt auftretendes Ereignis und hat grundsätzlich eine hohe Trefferrate, die ja in der Geburtsüberwachung wesentlich ist.

Das Verfahren ist unter dem Handelsnamen Abfohlsystem auf dem Markt. Es war allerdings zeitweise in der tierschützerischen Diskussion, da Unklarheit über Verträglichkeit und Akzeptanz seitens der Stuten bestand. Nach hie­siger Bewertung dürfte diese Anforderung aber gegeben sein, da der chirurgische Eingriff als äußerst gering zu bewerten ist und sicherlich weit weniger schwerwiegend als die vielseits benutzte sogenannte Casslick-Operation zum prophylaktischen Vulvaverschluss bei Stuten sein dürfte.

Es ist allerdings auf einen medizinischen Nachteil zu verweisen. Dieses Alarmsystem greift erst relativ spät in den Geburtsablauf ein. Die Ruptur der äußeren Eihaut, der sogenannten Allantois, die während der Geburt noch fest mit der Gebärmutterschleimhaut flächenhaft verbunden bleibt, erfolgt normalerweise innerhalb des Genitaltrakts, was durch teilweises Abfließen der Allantoisflüssigkeit äußerlich erkennbar wird. Erst danach passiert die innere Eihaut, das Am­nion, den Scheidenvorhof und die Schamspalte, so dass der Alarm ausgelöst werden kann. Es kommt gelegentlich vor, dass die Allantois sich vorzeitig gelöst hat, dadurch die Versorgung des Fetus über die Eihäute erheblich reduziert oder sogar ganz blockiert ist. Hierbei besteht höchste Lebensgefahr für die Leibesfrucht. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass in einer solchen Situation die Passage einer Eihaut erkannt, aber für die Vitalität des Fohlens zu spät gemeldet wird.

Geburtseinleitung

Zum Ende der Trächtigkeit kann bei einer grundsätzlich zur Geburt vorbereiteten Stute die Abfohlung medikamentös eingeleitet und daher exakt terminiert werden. Es können hierzu Medikamente eingesetzt werden, die den Geburtsweg aufweichen helfen (Prostaglandine) und die Wehentätigkeit in Gang setzen (Oxytocin). Zur Geburtseinleitung muss aber eine strenge Indikation vorliegen! Eine Geburtseinleitung lediglich aus betriebsorganisatorischen Motiven (Einsparung der Nachtwachen, Überwachungssystem etc.) ist keine ausreichende Indikation. Das Risiko der Austreibung nicht reifer Früchte und der sich einstellenden Geburtskomplikationen ist zu hoch, als dass man das Wort einer allgemeinen Geburtseinleitungspraxis reden könnte.

Medizinische Indikationen liegen jedoch zum Beispiel bei extremer Übertragung, Eihautwassersucht, Kolik oder extremem vorzeitigem Kolostrum- und Milchfluss vor. Die Geburt nach medikamentöser Auslösung erfolgt nahezu unmittelbar und muss deshalb unbedingt tierärztlich-geburtshilflich überwacht werden.

Zusammenfassend sei herausgestellt, dass alle Gerburtsterminierungsverfahren auf variablen Ereignissen rund um das Abfohlgeschehen gründen. Es ist daher eine logische Schlussfolgerung, dass diese Verfahren in den biologisch vorgegebenen Abläufen in individuellen Fällen einmal nicht zutreffen und nicht in der gewünschten Weise funktionieren. Kein Überwachungssystem kann eine einfühlsame Beobachtung und Geburtsbetreuung der abfohlenden Mutterstute voll und ganz ersetzen.  (Prof. Dr. Dr. habil. Erich Klug)

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