Veterinärmedizin: Frühlingszeit – Fohlenzeit

Erschienen am 27.02.2013
PDF

Was bei der Fohlengeburt und der Versorgung neugeborener Fohlen wichtig ist, darüber berichtet Tierarzt Jörg Hamann von der Tierklinik Demmin

Geschafft: Das Fohlen steckt mit den Hinterbeine noch im Tragesack und ist noch nicht abgenabelt.

Die durchschnittliche Trächtigkeitsdauer von Stuten beträgt 336 Tage. Die Länge der Trächtigkeit variiert jedoch von 315 bis 365 Tage. Die Abweichungen vom errechneten Geburtstermin sind häufig und sind von verschiedenen Faktoren, wie Alter, Jahreszeit, Rasse, Ernährungsniveau, Stress und Geschlecht des Fohlens abhängig.

Frühgeburten sind in der Pferdezucht unerwünscht und enden für das Fohlen meist tödlich. Die Größenentwicklung des Fetus erfolgt im letzten Trächtigkeitsdrittel. Erst ab dem 300. Trächtigkeitstag ist die Organreifung, insbesondere der Lunge, abgeschlossen. Spätestens ab dem 315. Trächtigkeitstag sollte die Stute auf Anzeichen für eine bevorstehende Geburt untersucht werden.

Anzeichen einer Geburt
Etwa sechs Wochen vor der Geburt nimmt das Euter deutlich an Umfang zu. Wenige Tage vor der Geburt treten die zunächst im umfangsvermehrten Euter eingezogenen Zitzenspitzen heraus. An den Zitzenkuppen ist eingetrocknetes Vorkolostrum (beginnende Bildung der Biestmilch) als so genannter Harztropfen zu sehen. Als geburtsnah gilt das Einschiessen der Milch.

Je nach Veranlagung der Stute können jedoch noch Stunden und Tage bis zur Geburt vergehen. Die Scheide der Stute wird zum Geburtstermin hin länger und ist vermehrt gefaltet. Durch das Einfallen der Flanken verändert sich der Bauchumfang von tonnenförmig zu birnenförmig. Vor dem Euter kann es durch Wassereinlagerung zu einer weichen, nicht schmerzhaften Umfangsvermehrung kommen, die bis zum Brustbein reichen kann (Geburtsödem).

Unmittelbar vor der Geburt zeigen viele Stuten kolikartige Symptome, wie vermehrte Unruhe, Schwitzen, Umherlaufen, Scharren und häufiges Hinlegen.

Leider lässt sich der Zeitpunkt der Geburt nicht exakt bestimmen. Ein Hilfsmittel zur Vorhersage des Geburtstermins ist die Bestimmung des Kalzium- und Magnesiumgehaltes in der Milch. Durch die Messung im Vorkolostrum lässt sich voraussagen, ob das Abfohlen in den nächsten 24 Stunden eintritt.

Wie funktioniert dieser "Foaling-Test"? Er liegt in Form von Teststreifen vor, deren Reaktionszonen durch den Farbumschlag von grün auf rot je nach Kalzium- bzw. Magnesiumgehalt des Vorkolostrums den wahrscheinlichen Abfohlzeitpunkt vorhersagt. Aber Vorsicht! Durch unsachgemäßes Abmelken geht wertvolles Kolostrum verloren, zudem besteht die Gefahr der Euterinfektion.

Eine andere Möglichkeit zur Vorhersage des Geburtstermins sind die Geburtenwächter. Hierbei handelt es sich um Sonden, die entweder auf vermehrtes Schwitzen der Stute (Feuchtigkeit) ansprechen oder die Lage der Stute registrieren.

Alle Hilfsmethoden zur Vorhersage des Geburtstermins sind mehr oder weniger mit Unsicherheit behaftet. Sie sind Hilfsmittel, die die Erfahrung und den geschulten Blick eines Züchters zwar ergänzen, aber nicht ersetzen können.

Phasen der Fohlengeburt

Der erste Kontakt zwischen Stute und Fohlen.

Der eigentliche Geburtsvorgang, wird in Öffnungs-, Austreibungs- und Nachgeburtsphase unterteilt.

Die Öffnungsphase kann 1 bis 2 Stunden dauern. Der Geburtskanal weitet sich, der Muttermund wird passiv eröffnet. Die Wehen werden äußerlich sichtbar. Durch regelmäßige Gebärmutterkontraktionen werden die Fruchtblasen in die Öffnung des Muttermundes gepresst.

Mit dem Sprung der Fruchtblasen beginnt das etwa 5 bis 10 Minuten dauernde Austreibungsstadium. Die normale Geburtslage des Fohlens ist die Vorderendlage, Schultergliedmaßen und Kopf sind in gestreckter Haltung. So sieht man zunächst etwas versetzt beide Hufe, kurz danach Maul und Nüstern des Fohlens. Sind Kopf, Schulter, Brustkorb und Bauch des Fohlens zu sehen, ist die größte Gefahr vorüber.

Treten Abweichungen hinsichtlich des zeitlichen Verlaufes der Geburt der Lageanomalien des Fohlens (z.B. Hinterendlage, Fohlenkopf ragt aus der Scheide ohne sichtbare Vordergliedmaßen) liegt eine Geburtsstörung vor. Diese sind lebensbedrohliche Notfallsituationen und durch einen Tierarzt unverzüglich zu versorgen!

In der Nachgeburtsphase werden innerhalb von 30 bis 60 Minuten nach der Fohlengeburt die Eihäute (Nachgeburt) abgestoßen. Die Nachgeburt sollte genauestens auf ihre Vollständigkeit und auf eventuelle krankhafte Veränderungen überprüft werden. Ist die Nachgeburt nach 2 bis 4 Stunden nicht abgegangen  oder befinden sich noch Reste in der Gebärmutter, ist sofort der Tierarzt zu Rate zu ziehen. Auch eine Nachgeburtsverhaltung ist als ein Notfall anzusehen. Nachgeburtsverhaltungen führen nicht selten zu Gebärmutterentzündungen oder können eine lebensbedrohliche Hufrehe auslösen (Geburtsrehe).

Checkliste für neugeborene Fohlen
Die Geburt eines Fohlens lässt auch erfahrene Züchter nicht unberührt. Zur Freude mischt sich aber immer die Sorge, ob das Neugeborene auch wirklich gesund ist. Trotz guter Geburtsüberwachung und komplikationsloser Geburt von scheinbar gesunden Fohlen kommt es innerhalb der ersten 24 Lebensstunden immer wieder zu Erkrankungen, die zum Verlust des Fohlens führen können.

Gerade in den ersten Lebensstunden ist das Fohlen besonders anfällig. Die Beurteilung der neugeborenen Fohlen durch den Züchter oder den Tierarzt kommt große Bedeutung zu, denn sie bietet die erste und früheste Möglichkeit, seine Lebensfähigkeit einzuschätzen und erforderliche Maßnahmen einzuleiten. Für die Vitalitätsbeurteilung und Risikokategorisierung hat die Arbeitsgruppe um Prof. H. Bostedt von der Geburtshilflichen Veterinärklinik in Gießen zwei Checklisten entwickelt, mit denen der Pferdehalter nach einem Punktesystem die Gesundheit des Neugeborenen überprüfen kann. Je nach dem welches der Merkmale zutrifft, können die rechts in der Liste stehenden Punkte zugeordnet werden.

Fohlen, die bei der Beurteilung innerhalb der ersten Lebensstunden als lebenstüchtig eingestuft werden, können innerhalb des ersten Lebenstages erhebliche Probleme entwickeln. Daher ist es besonders wichtig, den Vitalitätsgrad der Fohlen in den ersten 24 Stunden nach der Geburt mehrmals zu bewerten.

Die Checklisten sollen zum einen dazu dienen, Betreuern von Fohlen eine Orientierungshilfe zur Verfügung zu stellen, um bereits im frühen Stadium einer Neugeborenenstörung erste Anzeichen zu erkennen, um so rechtzeitig tierärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Andererseits ermöglichen sie, dem konsultierten Tierarzt einen exakten Vorbericht zu liefern.

Die frühzeitige Erkennung von Komplikationen ist ein eminent wichtiger Bestandteil des Fohlenmanagements.

Die Erstversorgung des neugeborenen Fohlens
Gerade in den ersten 24 Lebensstunden werden die Weichen für eine gesunde Fohlenentwicklung gestellt. Durch ein gutes Management, sorgfältige Hygienemaßnahmen sowie eine umsichtige Erstversorgung des neugeborenen Fohlens können Komplikationen minimiert werden.

Nabelpflege
Die Nabelpflege sollte unmittelbar nach Zerreißung des Nabelstranges durchgeführt werden, da der Nabel häufig eine Eintrittspforte für Krankheitserreger darstellt. In den meisten Fällen reißt die Nabelschnur nicht während der Geburt. Solange Stute und Fohlen noch liegen sollte die Nabelschnur nicht durchtrennt werden, damit noch möglichst viel Blut aus der Plazenta in den Kreislauf des Fohlens gelangt. Der Abriss der Nabelschnur erfolgt beim Aufstehen der Stute oder Aufstehversuchen des Fohlens an einer anatomisch vorgegebenen Prädilektionsstelle, etwa eine Hand breit unter der Bauchdecke des Fohlens. Eine Hilfe beim Abnabeln ist nur in Ausnahmefällen notwendig. Der Nabel ist auf Blutungen zu kontrollieren, nur bei starken Blutungen ist ein Abbinden notwendig.

Mit diagnostischen Mitteln kann das Darmpechverhalten auch bildlich dargestellt werden.

Eine sorgfältige Nabeldesinfektion ist in jedem Fall vorzunehmen. Hierfür eignen sich vorzugsweise Jod- und Chlorhexidinlösung. Die Desinfektion des Nabels wird im Intervall von 6 bis 8 Stunden in den ersten 24 Stunden durchgeführt. Hierzu wird der Nabel tief in ein Gefäß mit Desinfektionsmittel getaucht. ("dipping"). Eine vorsichtige Nabelkontrolle sollte in der ersten Lebenswoche in regelmäßigen Abständen erfolgen.

Treten Nabelveränderungen (Schwellung, Feuchtigkeit, Eiter, Schmerzhaftigkeit) auf, sollte der Tierarzt eine eingehende Untersuchung der äußeren und inneren Nabelstrukturen möglichst durch Ultraschall vornehmen. Über die inneren Nabelstrukturen könnten innere Organe wie Leber, Blase oder Bauchfell infiziert sein.

Kolostrum - lebenswichtig!
Jedes Fohlen kommt mit einem nur unvollständig entwickelten Abwehrmechanismus gegen Krankheitserreger zur Welt, da die Antikörper aus dem Mutterblut über die Plazenta nicht passierbar sind.

Dafür haben aber die neugeborenen Fohlen die Fähigkeit, während der ersten 12 bis 18 Stunden direkt wirksame Abwehrstoffe, sogenannte Antikörper (Immunglobuline) aus der Kolostralmilch über eine offene Darmschranke aufzunehmen. Im geburtsnahen Zeitraum konzentrieren sich die Immunglobuline der Stute, die im Blutplasma enthalten sind, in der Kolostralmilch. Die Stute produziert nur ein bis zwei Liter dieser Kolostralmilch und dies nur einmal! Ungefähr ein bis zwei Stunden nach der Geburt beginnt das Fohlen zu säugen und damit die Antikörper aus der Kolostralmilch durch spezielle Zellen im Darm aufzunehmen. Dies ist nur während der ersten 18 Stunden nach der Geburt möglich, da sich diese speziellen Zellen schon nach 12 Stunden schnell abbauen.

Die Immunglobuline (Antikörper gegen Infektionserreger) schützen das Fohlen während der ersten 1 bis 2 Lebensmonate, wenn sie in genügender Menge mit der Kolostralmilch aufgenommen werden. Danach übernimmt das inzwischen aktivierte körpereigene Abwehrsystem des Fohlens die Bekämpfung der Krankheitserreger. Die Fohlen können von nun an eigene Antikörper produzieren.

Auf eine Aufnahme von genügend Kolostralmilch ist somit besonders zu achten. In zahlreichen Fällen ist die Aufnahme der Immunglobulinen über die Kolostralmilch ungenügend oder gleich null. Das Fohlen ist demzufolge ungenügend gegen Infektionen geschützt.

Ist man sich nicht sicher, ob das Fohlen ausreichend Kolostralmilch aufgenommen hat, kann der Tierarzt über einen entsprechenden Test den Gehalt von Immunglobulinen im Fohlenblut messen (SNAP-Test). Bei Risikofohlen sollte in jedem Fall ein solcher Test vorgenommen werden.

Wird ein ungenügender Immunglobulingehalt im Blutplasma des Fohlens diagnostiziert, müssen die Immunglobuline durch eine Plasma- oder Bluttransfusion von der Mutterstute oder anderen Spendertieren auf das Fohlen übertragen werden.

Der Wert einer ausreichenden Immunglobulinkonzentration im Fohlenplasma ist hinsichtlich einer optimalen Fohlenentwicklung nicht genügend zu betonen.

Darmpech (Mekonium)
Das Darmpech besteht aus verdautem Fruchtwasser und Zelltrümmern. Die meisten Fohlen setzen in den ersten 4 bis  Lebensstunden Darmpech (500 - 800g) ab und Milchkot erscheint nach 24 bis 36 Stunden. Die Darmpechverhaltung kann vor allem beim Hengstfohlen ein Problem darstellen. Zur Prophylaxe von Darmpechverhaltungen sollten daher Klistiere (Einläufe) sofort nach der Geburt verabreicht werden. Mekoniumverhaltungen äußern sich durch vermehrtes Pressen, Unruhe und Koliksymptome.

Bleibt die Darmpechverhaltung nach einmaliger Gabe eines Klistiers bestehen, bedarf sie weiterer tierärztlicher Intervention. In schwerwiegenden Fällen muss das Fohlen operiert werde, kein erstrebenswerter Start in Leben!

Häufig wird der Tierarzt von den Züchtern um eine sogenannte "Fohlenimpfung" gebeten. Hierbei ist die prophylaktische Gabe von Antibiotika oder die Applikation von Tetanusserum gemeint. Antibiotika haben eine schädigende Wirkung auf die Darmflora, fördern den Aufbau von Resistenzen und sind bei einmaliger Gabe unwirksam. Auch die Verabreichung von Tetanusserum ist bei genügender Kolostrumversorgung der Fohlen und ausreichendem Impfstatus der Mutterstuten nicht notwendig.

Der Einsatz von Paraimmunitätsinducern (z.B. Zylexis) zur Steigerung der unspezifischen Abwehrmechanismen hat sich in den letzten Jahren bewährt und durchgesetzt.

Die meisten Fohlengeburten verlaufen unproblematisch. Jedoch sollte sich kein Züchter scheuen, bei den kleinsten Unregelmäßigkeiten sofort einen Tierarzt zu informieren. Werden die allgemeinen Grundsätze der Erstversorgung des Fohlens eingehalten, steht einer optimalen Fohlenentwicklung nichts entgegen.

Tierklinik Dr. Knut Anders, Hopfenstr. 18, 17109 Demmin, Tel. 03998/28290

PDF

Warenkorb

Sie haben 0 Artikel in Ihrem Warenkorb

Warenkorbwert: 0,00€